Besondere Feinstrukturen in winzigen Zirkonkristallen liefern starke Belege dafür, dass die Maniitsoq-Struktur in Westgrönland der größte und älteste Einschlagkrater auf der Erde ist. Eine eben im Journal of Petrology erschienene Studie analysierte dafür Tausende von Zirkon-Körnchen aus gesicherten Einschlagsstrukturen im Vergleich mit solchen anderer Regionen und denen aus Maniitsoq.
Hintergrund: Die Frage nach dem Ursprung der Maniitsoq-Struktur
Über den Ursprung und die Natur der rund drei Milliarden Jahre alte Maniitsoq-Struktur in Westgrönland gibt es seit Jahren wissenschaftliche Diskussionen. Die runde Struktur erstreckt sich heute über 100 Kilometer im Durchmesser, der ursprüngliche Krater war jedoch vermutlich ungefähr 500 Kilometer groß. Adam Garde vom geologischen Landesdienst Dänemark (GEUS) hielt den Krater nach mineralischen Analysen für Überreste eines Meteoriten-Einschlags. Damit würde es sich um den größten und ältesten Einschlagkrater auf der Erde handeln. Demgegenüber vertreten andere Forschende die Ansicht, es könne sich auch um eine tektonische, also durch Bewegung der Erdkruste entstandene Struktur handeln.
Neue Indizien für die Einschlagthese
Nun präsentiert der inzwischen emeritierte Adam Garde in einer jüngst im Journal of Petrology veröffentlichten Studie zusammen mit einem internationalen Team neue Belege für die Einschlagsthese. An Zirkonkristallen aus der Maniitsoq-Struktur identifizierten sie sogenannte Schocklamellen, die sie als Indiz für die Auswirkungen eines Einschlagsereignisses deuten. Zu der internationalen Forschungsgruppe gehören Leif Johansson, Nynke Keulen sowie Anja Schreiber und Richard Wirth vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ.
Die Forschenden untersuchten in mehrere Jahre dauernder Arbeit Tausende von Proben aus vier bekannten Einschlagskratern ebenso wie aus Regionen, in denen es nachweislich zu keinen Meteoriteneinschlägen, sehr wohl aber zu Erdbeben gekommen war.
Adam Garde erklärt: „Wir fanden zwei sehr unterschiedliche Arten von Feinstrukturen in den untersuchten Zirkonen. Die eine Struktur besteht aus dicht beieinanderliegenden und zusammenhängenden planaren Feinstrukturen. Dies sind ‘Schocklamellen‘, die sich durch die beim Einschlag entstehende Schockwelle bilden. Sie können von aus der umgebenden Erdkruste eindringendem Wasser verändert werden. Hierbei bilden sich nanometergroße Blasen entlang der ursprünglichen Schocklamellen. Im Elektronenmikroskop sehen diese Blasen aus wie winzig kleine Perlen auf einer Schnur.“
Die andere Art von planaren Strukturen in Zirkonen sind offene Spalten, die durch intensive seismische Erschütterungen entstehen. Diese Art von offenen Spalten können in seltenen Fällen auch in Erdbebengebieten entstehen und eignen sich daher nicht, um Meteoritenkrater zu identifizieren.
Schocklamellen sind wohlbekannt in Quarz, wo sie ein typischer Hinweis auf Einschlagkrater sind. Tief im Innern der Erdkruste ist Quarz jedoch weich und die Schocklamellen sind daher nur schwer zu erkennen oder durch die nachfolgende Deformation sogar vollständig zerstört. Zirkon ist ein sehr viel widerstandsfähigeres Mineral, das besser geeignet ist, um mögliche Schockstrukturen samt den winzigen Blasen zu bewahren.
Untersuchung im Transmissionselektronenmikroskop des GFZ
Um die kleinen Strukturen zu identifizieren, hat die Forschungsgruppe mehr als 3.400 Zirkonproben verschiedenen Ursprungs vergleichend untersucht – mit Rasterelektronenmikroskopie am GEUS und der Universität Lund und mit Transmissionselektronenmikroskopie am GFZ. Dafür wurden sehr dünne scheibenförmige Proben von den Zirkonen genommen und dann mit Elektronen durchleuchtet. Gegenüber der Untersuchung im gewöhnlichen Lichtmikroskop lassen sich so sehr viel kleinere Strukturen erkennen, wie die winzigen Details in den Schocklamellen.
Fazit
Das Team um Adam Garde ist nun sicher, dass die Schocklamellen aus der Maniitsoq-Struktur von einem Einschlag und nicht von Erdbeben herrühren. Nach Ansicht von Adam Garde kann die Methode helfen, uralte Einschlagskrater sicherer als bisher zu identifizieren.
Die Forschungsinfrastruktur PISA am GFZ
Das Transmissionselektronenmikroskop ist Teil der „Potsdam Imaging and Spectral Analysis (PISA) Facility“ am GFZ. Die PISA-Einrichtung kombiniert die modernsten Bildgebungs- und Spektraltechnologien für alle Arten von Forschungsanwendungen. Es besteht aus einer Reihe von Elektronenmikroskopen mit verschiedenen Detektoren.
Projektförderung
Die Arbeit wurde mit Mitteln aus dem EU-Forschungsprogramm EXCITE gefördert. EXCITE steht für „Elektronen- und Röntgenstrahlenmikroskopie-Community für strukturelle und chemische Bildgebungstechniken für Erdmaterialen“ und ist ein wichtiges EU-finanziertes Forschungsprogramm. Mehr Informationen zu EXCITE auf excite-network.eu.
Originalpublikation:
A A Garde, L Johansson, N Keulen, A Schreiber, R Wirth, Zircon Microstructures in Large, Deeply Eroded Impact Structures and Terrestrial Seismites, Journal of Petrology, Volume 64, Issue 11, November 2023
DOI: 10.1093/petrology/egad079
Weiterer Wissenschaftlicher Kontakt
Adam A. Garde
Geological Survey of Denmark and Greenland
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