GFZ German research centre for geo sciences

[German only!] Interview | Geochemische Massentransporte. Das Trainingsnetzwerk IsoNose forscht auf neuen Pfaden

[German only!] Prof. Friedhelm von Blanckenburg leitet am GFZ die Sektion Geochemie der Erdoberfläche und ist Koordinator des EU-geförderten Initial Training Networks IsoNose. Im Interview berichtet er über dieses Netzwerk, das einen zukunftsorientierten Ausbildungsansatz mit modernsten Methoden in der Geowissenschaft kombiniert.

Prof. Friedhelm von Blanckenburg leitet am GFZ die Sektion Geochemie der Erdoberfläche und ist Koordinator des EU-geförderten Initial Training Networks IsoNose. Im Interview berichtet er über dieses Netzwerk, das einen zukunftsorientierten Ausbildungsansatz mit modernsten Methoden in der Geowissenschaft kombiniert.

Das Trainingsnetzwerk IsoNose (ISOtopic tools as NOvel Sensors of Earth surface resources) war das erste am GFZ koordinierte Initial Training Network (ITN), eine durch die EU geförderte internationale Ausbildungsmaßnahme für NachwuchswissenschaftlerInnen. Zwölf DoktorandInnen und zwei promovierte Nachwuchswissenschaftler arbeiten, verteilt auf verschiedene Projektpartner, auf dem Feld der Metallisotopengeochemie1 zusammen. Es ist ein junges Forschungsfeld, die verwendete Technik eröffnet völlig neue Möglichkeiten der Elementanalytik, mit Einsatzmöglichkeiten bis weit über die Geowissenschaften hinaus.

Modern ist auch der Trainingsansatz von IsoNose. Die beteiligten NachwuchswissenschaftlerInnen lernen vor allem, interdisziplinär zu arbeiten und „lateral“ zu denken. Sie sollen durch ihre Arbeit im Netzwerk zu den Köpfen werden, die das Feld der Metallisotopengeochemie zukünftig vorantreiben. Deshalb werden die AbsolventInnen selber - soviel steht schon jetzt fest - das wichtigste „Ergebnis“ am Projektende sein.

Eine Explosion der Möglichkeiten

Wenn biogeochemische Prozesse an der Erdoberfläche ablaufen, wie zum Beispiel Gesteinsverwitterung oder Zersetzung von organischem Material, „wandern“ chemische Elemente: von Gestein zu Böden, von Böden in Pflanzen und von dort in Grund- und Flusswasser, oder konzentrieren sich in Metalllagerstätten. Die wissenschaftliche Fragestellung von IsoNose kreist um diese Massentransporte der Elemente an der Erdoberfläche. Alle diese Massentransporte tragen zur Kenntnis über drei unserer wichtigsten geo- Lebensgrundlagen bei: Wasser, Boden und Metallrohstoffe.  

Die Elementtransporte können durch die Analyse der stabilen Isotope2 sichtbar gemacht werden. Der Bildungsprozess und die Transportwege, die ein Material durchlaufen hat, bestimmen seine Isotopenzusammensetzung. IsoNose will mehr über diesen sogenannten „isotopischen Fingerabdruck“ von Ressourcen erfahren. Im Labor lässt sich der Fingerabdruck mithilfe der Massenspektrometrie3 analysieren. Dabei kommen neue Techniken und Methoden zum Einsatz: Multikollektor ICP-MS4, mit denen sich die Verteilung der Isotope eines metallischen Elementes analysieren lässt, die mit herkömmlichen Methoden bisher nicht zu analysieren war. Dies sind die „novel“ isotopes.

Seit den 1950er Jahren lassen sich die stabilen Isotope von fünf Elementen bestimmen, den „CHONS“: Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Sauerstoff (O), Stickstoff (N) und Schwefel (S). Später kamen Edelgase wie Helium und Argon und „radiogene Isotope“ hinzu, also solche, die durch radioaktiven Zerfall entstehen. Mit den novel isotopes kommen nun 30 weitere Elemente hinzu, für die sich die Isotopenverhältnisse bestimmen lassen - eine totale Explosion der Möglichkeiten. Nun können auch die Isotope von Metallen wie Lithium, Eisen oder Zink und von Metalloiden wie Bor und Silicium analysiert werden. Die Verfahren zur Bestimmung dieser Isotopenverhältnisse gibt es als Methode bereits seit 15 Jahren, die allerdings bisher nicht in den Anwendungsbereich vorgedrungen sind. IsoNose stellt also auf beiden Seiten, Methodentechnik und methodische Anwendung, Pionierarbeit dar.

GFZ: Herr von Blanckenburg, wie kommt man von der Möglichkeit, neue Isotope und Isotopenverhältnisse messen zu können, zu möglichen Interpretation?

Friedhelm von Blanckenburg: Es sind ganz verschiedene Wege die dahin führen. Am Anfang muss schon die Idee stehen, dass man über ein Isotopenverhältnisses sagen kann, wie es „produziert“ wurde. Es gibt zum Beispiel Bakterien und Pilze, die Gestein auflösen können. Dass das so ist, weiß die Biologie schon länger. Wir wissen jetzt, dass, wenn chemische Elemente von einer lebenden Zelle aufgenommen werden, sich deren Isotopenverhältnisse verschieben, man spricht von biologischer Isotopenfraktionierung. Unser Wissen über diesen Fraktionierungsprozess kann man mit dem Wissen der Biologen kombinieren, um herauszufinden, inwiefern das Isotopenverhältnis im Endprodukt einen Hinweis darauf geben kann, ob mikrobielle Aktivität am Anfang stand, ob also Mikroben das Gestein aufgelöst haben.

Interdisziplinärer Dialog mit Zukunftsblick

IsoNose zeichnet sich durch eine hohe Interdisziplinarität aus. Um festzustellen, welche Prozesse mit den analysierten Isotopenverhältnissen nachgewiesen werden können, sind die WissenschaftlerInnen auf die Zusammenarbeit mit der Anwenderseite angewiesen. Am Projekt sind daher insgesamt acht internationale Partner und vier weitere Einrichtungen* aus fünf Nationen beteiligt. Zu den Partnern zählen auch ein Gerätehersteller für Analytik und Metallexplorationsfirmen. Der Doktorand Rasesh Pokharel und der Postdoktorand Dr. Daniel Frick sind am GFZ angestellt, die übrigen 11 DoktorandInnen und ein weiterer Postdoktorand verteilen sich auf die Projektpartner.

GFZ: Wie gelingt der Dialog zwischen Umweltwissenschaften, Mikrobiologie und ökonomischer Geologie auf der einen Seite, Instrumentenentwicklern, Anwendern im Bereich der Entwicklung von massenspektrometischen Methoden auf der anderen Seite und auf einer dritten Seite potenziellen Anwendern aus der Industrie?

von Blanckenburg: Am Anfang stand ein gemeinsamer Workshop, bei dem sich alle Beteiligten zum gegenseitigen Austausch an einen Tisch gesetzt haben. Die Wissenschaft sagt, „Das können wir“, die anderen „Das sind unsere Fragestellungen, das brauchen wir“. Diese Workshops gibt es nun in regelmäßigen Abständen, in offener und lockerer Form.

Wir als Wissenschaftler sind die Methodiker, wir entwickeln die Methoden und bieten sie an. Was wir brauchen sind die Fragen der anderen, um zu verstehen, wie das Ergebnis einer Methode aussehen muss. Sie müssen uns sagen, was sie nicht verstehen, welche Informationen ihnen fehlen und an welcher Stelle in der Anwendung sie eine neue Methode brauchen können. Die eigentliche Herausforderung ist es dann, die Schnittmenge herauszubilden.

Das Schöne an einem Initial Training Network ITN sind vor allem die gemeinsamen Doktoranden, die die Schnittstelle zwischen Methodenentwicklung und Anwendung füllen und sozusagen selber diese Schnittstelle bilden. Es gibt also nicht nur Gespräche zwischen den Projektpartnern, sondern Menschen, die an den Schnittstellen arbeiten.

GFZ: Welche fachlichen und persönlichen Hintergründe bringen die Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler mit, die sie für eine Teilnahme am Projekt auszeichnen?

von Blanckenburg: An die Doktoranden werden sehr hohe Anforderungen an Interdisziplinarität gestellt, sonst könnten sie die Arbeit in IsoNose nicht machen, die alles andere als monothematisch ist. „Lateral thinking“ ist hier eine gute Beschreibung aus dem Englischen. Das bedeutet, man kann hierbei nicht linear arbeiten und einen Schritt auf den anderen folgen lassen, sondern man muss zur Seite springen können, um da weiterzudenken. Diese Eigenschaft zeichnet die Doktoranden aus.

Die teilnehmenden Nachwuchswissenschaftler sind im einzelnen Geowissenschaftler, Chemiker und Leute aus dem Bereich der Ingenieursbiologie. Der Doktorand Rasesh Pokharel aus Nepal beispielsweise, der am GFZ arbeitet, hat in den USA seine Masterarbeit geschrieben, zum Thema mikrobielle Uran-Mobilisierung in einem früheren Lagerort mit hoher Kontaminierung durch radioaktive Stoffe. Damit war er für die Arbeit im ITN IsoNose prädestiniert, weil er sich in der Geochemie auskennt, aber auch in der Mikrobiologie. Für IsoNose arbeitet er thematisch in der Massenspektrometrie und setzt auf der anderen Seite, gemeinsam mit unserem Partner der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung BAM, Mikroben an, um das Mineral Olivin aufzulösen. Damit besetzt er genau eine solche Schnittstelle, auf die es im Netzwerk ankommt.

GFZ: Wie wählt man aus der Fülle an Elementen und Isotopenverhältnissen diejenigen aus, die einem bei der Beantwortung einer Fragestellung behilflich sein können?

von Blanckenburg: Das hängt davon ab, welche Frage man auf Anwenderseite klären möchte.Auf dem Gebiet der Metalllagerstätten gibt es das Beispiel Zink: Eine Firma exploriert also das Element Zink und kann ganz simpel messen, wieviel Zink vorhanden ist. Die Methoden dafür existieren bereits seit 70 Jahren. Was wir jetzt zusätzlich können ist, die Isotopenzusammensetzung in Form des Verhältnisses zweier Zinkisotope zu bestimmen. Dieses Verhältnis sagt dann etwas darüber aus, wie das Zink zum Ablagerungsort gekommen ist. Es gibt dabei unterschiedliche Entstehungsformen, beispielsweise kann es unter hohen Temperaturen geformt worden sein oder durch Umlagerungsprozesse in Wasser. Diese Entstehungsformen und Transportprozesse können wir über die Isotopenverhältnisse rekonstruieren.

Dass man so etwas überhaupt messen kann, weiß eine Explorationsfirma zunächst gar nicht. Wir als Wissenschaftler sagen denen überhaupt erst, dass sie derartige Fragen stellen können. Es braucht nicht viel um zu verstehen, dass das für die Nutzung von Zinklagerstätten interessant sein könnte. Denn die Kenntnis über die Entstehung der Zinkerze ist Bedingung für deren Exploration und damit für das Auffinden ökonomisch relevanter Vorkommen.

GFZ: Kann IsoNose als Vorbild dienen für zukünftige Doktorandennetzwerke und Projekte in den Geowissenschaften?

von Blanckenburg: Während es bisher üblich ist, innerhalb einer Doktorarbeit methodisch eher eng zu arbeiten, arbeiten die Nachwuchswissenschaftler bei IsoNose sehr interdisziplinär. Sie werden so geschult, dass sie diese Interdisziplinarität in die Anwendung hineintragen können. Diese Berufsorientierung ist auch eine Voraussetzung für ein ITN und diese Herangehensweise an Problemstellungen wird in Zukunft immer wichtiger werden. Um dies zu erreichen, erhalten die Doktoranden und PostDocs zudem eine spezifische und hochqualitative Ausbildung, die sie in den Alltagswerkzeugen für Akademiker in Wissenschaft und in der Privatwirtschaft fit machen: Zeitmanagement, wissenschaftliches Schreiben, Vortragstechniken, eine unvorbereitete Präsentation von Ergebnissen. So haben unsere „Fellows“ tatsächlich gelernt, wie man Kollegen während einer höchstens zweiminütigen Fahrstuhlfahrt von seinen Ergebnissen und damit von sich überzeugen kann: der “Elevator Talk“. Diese beiden Spezialitäten könnten in der Tat als Vorbild für andere Doktorandennetzwerke dienen.

GFZ: Was soll nach Ihrer Erwartung am Projektende erreicht werden, was sollen Ergebnisse sein?

von Blanckenburg: Das wichtigste „Produkt“, das am Ende von IsoNose steht, sind nicht die Methoden, sondern die Menschen. Die Techniken sind da und es gibt auch mittlerweile genug Labore, die sie einsetzen können. Die Anwendungen sind noch nicht gut entwickelt, aber woran es zunächst fehlt, das sind die hellen Köpfe, die die Techniken und Methoden zur Anwendung bringen können. Sie müssen das gar nicht im Verlauf des Projektes schaffen, sondern hinterher dazu die Befähigung haben. Durch IsoNose liefern wir den wissenschaftlichen Institutionen und auch den Firmen Leute, und das sind gar nicht wenig, 14 Personen, die das Feld später vorantreiben können.

Es ist nicht so, dass am Ende des Projektes Protokolle herauskommen, die einer Metallrohstoffirma sagen würden, wie sie irgendetwas konkret machen soll. Das wäre noch eine Nummer zu groß, soweit sind wir noch nicht. Wir sind dabei herauszu“schnüffeln“, das Ganze heißt ja auch Iso“Nose“, wo irgendwo eine interessante Anwendung für die novel isotopes liegen könnte. Das ist das wissenschaftliche Hauptziel von diesem Netzwerk.

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Überall dort, wo die novel isotopes auftreten, lassen sie sich nun theoretisch für neuartige Interpretationsansätze und Anwendungsfelder innerhalb und außerhalb der Geowissenschaften einsetzen. Parallel zu IsoNose forscht die GFZ-Sektion Geochemie der Erdoberfläche zusammen mit Pharmafirmen und der Ernährungswissenschaft im Bereich der novel isotopes beispielsweise auch in der Biomedizin, einem Feld, das sich in Zukunft weiter entwickeln wird. Auch hier bringt das GFZ seine Expertise ein. Aber auch für diese Anwendung fehlen noch die Leute, die das Forschungsfeld vorantreiben können und die in der Lage wären, wie im Falle von IsoNose, Schnittstellen zu füllen.

22.12.2015, Ariane Kujau

 

Projektkoordinator: Prof. Friedhelm von Blanckenburg

Projektmanagerin: Dr. Maja Tesmer

Zur IsoNose-Webseite>>

 

1Isotopengeochemie: Ein Teilbereich der Geochemie, der sich mit der Fraktionierung von stabilen und instabilen Isotopen und dem radioaktiven Zerfall von instabilen Isotopen beschäftigt.

2Isotope: Ein Element enthält in seinem Kern gleich viele Protonen, aber eine unterschiedliche Anzahl an Neutronen, man spricht von unterschiedlichen Isotopen desselben Elements, mit verschiedenen Massenzahlen. Chemisch verhalten sich diese Isotope nahezu identisch. Es gibt stabile oder instabile Isotope. Die instabilen Isotope zerfallen und geben dabei eine charakteristische Strahlung ab, weshalb sie als radioaktiv bezeichnet werden. Die stabilen Isotope erfahren bei chemischen Reaktionen eine minimale Bevorzugung entweder ihrer schweren oder ihrer leichten Isotope. Diese winzige Verschiebung der Isotopenverhältnisse ist Grundlage der Geochemie der „stabilen“ Isotope. Sie zu erkennen entspricht der Herausforderung, die Länge eines Fußballfeldes mit der Genauigkeit der Länge einer Streichholzschachtel zu vermessen.

3Massenspektrometrie: Verfahren zur Bestimmung der Masse von Atomen und Molekülen.

4Multikollektor ICP-MS: ICP-MS steht für “Inductively Coupled Plasma-Mass Spectrometry”, zu Deutsch:“Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma“. Das Messverfahren dient traditionell der präzisen Analyse von Spurenelementen. Eine Probe wird zerstäubt und in ein energiereiches Plasma (ein durch elektromagnetische Induktion extrem erhitzt Edelgas [in den meisten Fällen Argon], in dem sich Elektronen und Atomkerne voneinander lösen) eingeführt, wo sie durch die hohe Temperatur zerstört und ihre elementaren Bestandteile ionisiert wird. Die Ionen werden in ein Massenspektrometer geleitet, wo sie durch elektrostatische und magnetische Felder nach ihrem Masse-zu-Ladungs-Verhältnis getrennt werden. Anhand der einzelnen Massen können die Isotope und damit die chemischen Elemente voneinander unterschieden und durch die gemessene Signalintensität kann die Konzentration der einzelnen Elemente in der Probe ermittelt werden. Ein Multikollektor ICP-MS ist eine Weiterentwicklung dieser Technik. Durch die gleichzeitige, hochpräzise Messung mehrere Isotope eines einzelnen Elementes („Multikollektor“) können auch kleinste Veränderungen im Verhältnis der Isotope von Metallen, wie Li, Mg, Fe, Cu, Zn, Mo, U und den Metalloiden wie B und Si ermittelt werden.

*GFZ, Institut de Physique du Globe Paris, Trinity College Dublin, University of Southampton, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Géosciences Environnement Toulouse, Thermo Fisher Scientific, Boliden Tara Mines und Penn State University, SoilTrEC, Teck, Filmbüro Potsdam

**WP1: Making Soil from Rock, WP2: Dissolved Metals in the Global Water Cycle, WP3: Human Influence on Metal Cycling, WP4: Innovations in Metal Ore Exploration, WP5: New Analytical Tool Development

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