Am Mittwoch, 22. Januar fand in der Historischen Bibliothek auf dem Telegrafenberg in Potsdam die Jahrespressekonferenz des Deutschen GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ) statt. Pressesprecher Josef Zens begrüßte dazu den Vorstandsvorsitzenden des GFZ Reinhard Hüttl, vier Forscherinnen und Forscher sowie einen „Gründer“.
Reinhard Hüttl warf zunächst einen Blick auf die jüngste Vergangenheit: „Nach zwei äußerst erfolgreichen Evaluierungen innerhalb von 18 Monaten ist nun der Weg frei für das siebenjährige Forschungsprogramm „Erde im Wandel: Unsere Zukunft erhalten“ des Helmholtz-Forschungsbereichs Erde und Umwelt, zu dem auch das GFZ gehört.“
Das neue Programm wird 2021 beginnen. Das GFZ ist an fünf der neun Hauptthemen des Programms beteiligt, zwei davon betreuen GFZ-Forschende federführend: „Leben auf einem unruhigen Planeten: Der Weg zur Vorhersage von Geo-Gefahren“ (Fabrice Cotton) und „Georessourcen für die Energiewende und eine Hightech-Gesellschaft“ (Sarah Gleeson).
„Das Helmholtz-Motto ‚Spitzenforschung für große Herausforderungen‘ trifft auf das Programm in besonderem Maße zu: Klimawandel, regionale Auswirkungen der Erderwärmung, Georisiken wie Hangrutschungen, Erdbeben und Vulkanausbrüche, aber auch Veränderungen des Magnetfeldes und Weltraumwetter sowie Ressourcen sind alle von höchster gesellschaftlicher Relevanz“, so Reinhard Hüttl weiter. „Insbesondere der Klimawandel nimmt auch bei uns einen großen Raum ein. Hier können wir wissenschaftliche Expertise bereitstellen, beispielsweise für die Speicherung großer Energiemengen in Form von Wasserstoff, der im Untergrund eingelagert wird. Oder für die unterirdische Einlagerung von CO2 aus der Zement- oder Stahlproduktion mittels Carbon Capture and Storage, CCS. Die nötigen Entscheidungen für eine Realisierung solcher Projekte kann dann aber nur die Politik treffen.“
Reinhard Hüttl stellte außerdem die Wissenschaftskommunikation als wichtige Aufgabe neben der Forschung am GFZ heraus. Er verwies etwa auf die Aktivitäten des Schülerlabors des GFZ. Außerdem kündigte er für dieses Jahr eine neue „Synthese- und Kommunikationsplattform“ (SynCom) an, mit der der Helmholtz-Forschungsbereich Erde und Umwelt den Wissenstransfer sowohl innerhalb des Forschungsbereichs als auch in und aus Politik, Wirtschaft, Medien und Öffentlichkeit stärken will.
Ein Teil des Neujahrsempfangs, der sich an die Pressekonferenz anschloss, diente auch der Würdigung des Gründungsdirektors Rolf Emmermann, der am 12. Januar 80 Jahre alt geworden war. Das GFZ wird künftig eine Rolf-Emmermann-Medaille für besondere Verdienste in den Geowissenschaften verleihen. Der Prototyp der Medaille – eine in Silber gefasste Scheibe eines Bohrkerns aus dem kontinentalen Tiefbohrprogramm KTB – wurde Rolf Emmermann übergeben. Sowohl die neue brandenburgische Wissenschaftsministerin Manja Schüle als auch Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert und die neue GFZ-Kuratoriumsvorsitzende Oda Keppler würdigten die Verdienste Emmermanns um den Aufbau der Forschungslandschaft in der Region Berlin-Brandenburg. Reinhard Hüttl hob die Weitsicht Emmermanns hervor, der gemeinsam mit Kollegen schon 1991 auf die unabsehbaren Folgen der Eingriffe des Menschen in das System Erde hingewiesen hatte.
Auf die Einführung durch Reinhard Hüttl folgten Beiträge zu folgenden Themen:
GRACE-FO (Prof. Dr. Frank Flechtner, Leiter der Sektion Globales Geomonitoring und Schwerefeld)
Die Quantifizierung der Eis- und Grundwasserbilanzen über große Räume ist mit den beiden GFZ-Satellitenmissionen GRACE (Gravity Recovery and Climate Experiment) und GRACE-FO (FO = Follow-On, seit Mai 2018 im All) viel genauer geworden. Vorher waren nur Abschätzungen und Punktmessungen möglich. Für die Landwirtschaft, Umweltbehörden oder die Klimamodellierung liefert GRACE-FO wichtige Daten.
Frank Flechtner: „Die ersten Zeitreihen der GRACE-FO-Mission liegen vor und wurden qualitätsgeprüft. Seit mehr als einem Jahr vermisst das Satellitenduo das Schwerefeld der Erde und liefert die Daten für monatliche Schwerefeldkarten. Wir können daraus die Trockenheit Deutschlands in den Jahren 2018 und 2019 erkennen und wir sehen, wie sich der Eismassenverlust auf Grönland fortsetzt.“
Energiespeicherland Brandenburg (Prof. Dr. Michael Kühn, Direktor des Departments Geochemie)
Allen ist klar, dass die Treibhausgasemissionen gesenkt werden müssen. Zugleich ist der Energieverbrauch in Deutschland seit Jahren auf einem hohen Niveau und wird voraussichtlich nicht sinken. Neben der direkten Nutzung der Erneuerbaren werden auch „grüne“ Energieträger wie Wasserstoff, erzeugt etwa durch Solar- oder Windenergie, und entsprechend produzierte synthetische Kraftstoffe notwendig sein. Für deren Vorhaltung und um überschüssige Energie nicht zu verschwenden, sind Speicher nötig. Gerade Speicher im geologischen Untergrund bieten sehr große Kapazitäten, sind gut erforscht und stehen für die Umsetzung zur Verfügung.
Michael Kühn: „Brandenburg will eine eigene Wasserstoffstrategie entwickeln. Das GFZ kann das Land und auch den Bund dabei unterstützen. Wir halten die Nutzung des geologischen Untergrunds für entscheidend, um die Energiewende erfolgreich umsetzen zu können: Sowohl zur geothermischen Energieerzeugung als auch zur Speicherung von Energieträgern wie Wasserstoff oder Methan und nicht zuletzt auch zur Speicherung von CO2 aus industriellen Prozessen.“
Expedition MOSAiC (Prof. Dr. Torsten Sachs, Arbeitsgruppenleiter, Sektion Fernerkundung und Geoinformatik)
Die Arktis erwärmt sich weitaus schneller als andere Weltregionen. MOSAiC, die größte Arktis-Expedition bisher weltweit unter deutscher Federführung untersucht die Umweltbedingungen dort mit einer Vielzahl von Forschungsansätzen: Atmosphärenphysik und Meteorologie, Meereisphysik und Biologie, Geochemie und Geologie arbeiten Hand in Hand. Eine der Grundfragen: Woher kommen die relativ hohen Konzentrationen des Treibhausgases Methan über der zentralen Arktis? Noch ist wenig über dessen Ursprung und Transportweg bekannt.
Torsten Sachs: „Veränderungen in der Arktis haben unmittelbare Auswirkungen auf das Wetter in Mitteleuropa, Gletscherschmelze lässt den Meeresspiegel ansteigen, und die Treibhausgasquellen und –senken in der Arktis müssen verstanden werden, um die globalen Treibhausgasbilanzen möglichst fundiert erstellen und die Eingriffsmöglichkeiten des Menschen abschätzen zu können. Dazu werden wir im Rahmen den MOSAiC-Expedition Messungen in der Arktis durchführen, beispielsweise mit einer Helikoptersonde und Eiskernbohrungen.“
DEEP PURPLE (Prof. Dr. Liane G. Benning, Leiterin der Sektion Grenzflächen-Geochemie)
Liane G. Benning hat Ende Oktober gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen einen Synergy-Grant des europäischen Forschungsrates ERC zugesprochen bekommen. Insgesamt ist die Förderung des Projektes DEEP PURPLE mit rund 11 Millionen Euro dotiert; 3,3 Millionen werden an das GFZ gehen. Ziel ist die Erforschung der Gletscheralgen auf Grönland. Die rosa- bis purpurfarbenen Mikroorganismen verdunkeln die Oberfläche der Eisschilde und beschleunigen damit das Abschmelzen der Gletscher.
Liane G. Benning: „Wir wollen feststellen, wie sich die Algenblüte verändert, wie viel Ruß- und Staub die Algen einfangen und damit noch mehr zur Eisschmelze beitragen. Ziel ist es, zu verstehen, wie die biologische Verdunkelung genau abläuft und damit auch Abschätzungen treffen zu können, wo und wann sie in Zukunft auftreten wird. Dazu erforschen wir den Zusammenhang zwischen Geologie, Geochemie, Biologie und Klima.“
SLR-Stationen: Satelliten-Laser-Radar (André Kloth, Geschäftsführer der GFZ-Ausgründung DiGOS)
Die SLR-Technik (SLR = Satellite Laser Ranging) gibt es bereits seit Jahrzehnten. Sie dient der exakten Bahnvermessung von Satelliten. Neuerdings soll damit auch Weltraumschrott angepeilt und kartiert werden. Eine Ausgründung aus dem GFZ, DiGOS, wurde mit dem Innovationspreis Berlin Brandenburg ausgezeichnet. Sie entwickelt und baut derzeit zwei SLR-Stationen mit dem Ziel, sie schlüsselfertig zu übergeben: eine an die japanische und eine an die europäische Weltraumagentur.
André Kloth: „Weltraumschrott wird zunehmend zum Problem für die Raumfahrt und die Satelliten. Exakte Bahnvermessungen helfen auch in der Grundlagenforschung, die wiederum wichtige Daten für GPS und Wetterdienste liefert. Das GFZ trägt mit seiner regen Ausgründungstätigkeit – allein sechs ‚Spin-Offs‘ in den letzten beiden Jahren – zur Innovationskraft und Wertschöpfung der Region bei. Wir sind sehr froh, dass wir uns in einem so fruchtbaren Umfeld ansiedeln konnten.“
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Dipl.-Geogr. Josef Zens
Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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