Dr. Dedong Wang, am Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ stellvertretender Leiter der Sektion 2.7 „Weltraumphysik und Weltraumwetter“ und Leiter der Arbeitsgruppe „Welle-Teilchen-Wechselwirkungen und deren Effekte“, hat einen prestigeträchtigen ERC-Consolidator Grant eingeworben. Damit wird sein Projekt „WIRE“ ab Mitte 2024 für den Zeitraum von fünf Jahren mit rund zwei Millionen Euro gefördert. Mit den Consolidator Grants fördert der Europäische Forschungsrat exzellente, vielversprechende Wissenschaftler:innen, deren Arbeitsgruppe sich – sieben bis zwölf Jahre nach der Promotion – in der Konsolidierungsphase befindet.
Das Projekt WIRE: Wechselwirkungsprozesse in den Strahlungsgürteln um die Erde
Wang wird Phänomene untersuchen, die sich in den Strahlungsgürteln abspielen, welche unsere Erde in einigen Tausend bis Zehntausend Kilometern Entfernung umgeben. Hier kreisen ultraschnelle Elektronen – sie können bis zu 99,9 Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreichen – die durch Sonneneruptionen in den Weltraum geschleudert werden. Die Erde ist durch ihr Magnetfeld weitgehend vor gefährlichen Auswirkungen dieser solaren Teilchenströme geschützt. Einige Elektronen können jedoch diesen Schutzschirm durchdringen und werden durch Magnetfeldschwingungen auf sehr hohe Energien beschleunigt. Die energiereichen Elektronen sind für Satelliten in der Erdumlaufbahn gefährlich und können auch eine Gefahr für Astronauten im Weltraum bedeuten. Zahlreiche für die moderne Gesellschaft wichtige Raumfahrtsysteme arbeiten in dieser Region.
„Die übergreifende Frage, der wir mit unserem Projekt nachgehen ist: Warum reagieren die Strahlungsgürtel der Erde unterschiedlich auf geomagnetische Stürme ungefähr gleicher Intensität?“, erläutert Dedong Wang. Als geomagnetische Stürme bezeichnet man durch Sonneneruptionen verursachte Störungen des Erdmagnetfeldes. Zur Beantwortung dieser Frage wird Wang mit seinem Team die komplexen Wechselwirkungen im Strahlungsgürtel betrachten. In diesem auch Plasma genannten dynamischen Gemisch diverser geladener Teilchen und daraus entstehender elektromagnetischer Felder interessiert ihn besonders der Effekt, den sogenannte Plasmawellen auf die Teilchen haben.
Für seine Untersuchungen wird er modernste Messungen von mehreren Satelliten, verschiedene Modellierungstechniken und maschinelles Lernen kombinieren.
„Die in diesem Projekt gewonnenen Erkenntnisse können nicht nur für den Schutz von Raumfahrtsystemen, sondern auch für die Grundlagen der Plasmaphysik und der Astrophysik nützlich sein, da überall im Universum ähnliche grundlegende Prozesse ablaufen“, erläutert Wang.
Brandenburgs Forschungsministerin Manja Schüle gratuliert:
„Forschung, die weit über Brandenburg hinaus begeistert: Der Europäische Forschungsrat hat dem Astrophysiker Dr. Dedong Wang vom Potsdamer GeoForschungsZentrum einen der so renommierten wie begehrten ERC Consolidator Grants zugesprochen – herzlichen Glückwunsch! Der GFZ-Spitzenforscher wird mit seinem Projekt WIRE nun untersuchen, warum die Strahlungsgürtel der Erde unterschiedlich auf geomagnetische Stürme gleicher Intensität reagieren – gut für den Schutz von Satelliten. Einmal mehr zeigt sich: An der Zukunft wird in Brandenburg geforscht – und sie ist ausgezeichnet!“
Auch die Wissenschaftliche Vorständin des GFZ, Susanne Buiter, freut sich über den Erfolg:
„Das ist ein herausragender Erfolg für Dedong Wang, dem ich herzlich gratuliere. Ich freue mich für ihn persönlich und für das GFZ. Dedong Wang kann damit sein Team ausbauen und seine bisher schon sehr erfolgreiche Forschung über komplexe Phänomene im erdnahen Weltraum fortsetzen und vertiefen. Dieser weitere ERC-Grant für das GFZ kommt passend zu unserem aktuellen Fokusthema „Weltraumwetter und Geomagnetismus“, das wir in den ersten Monaten des Jahres 2024 highlighten. Die Forschungsförderung auf Europäischer Ebene unterstreicht, wie relevant auch die Entwicklungen und Phänomene im erdnahen Weltraum für uns auf der Erde und für die Geoforschung sind.“
Das Forschungsprojekt „WIRE“ im Detail
Die Elektronen-Flüsse in den Strahlungsgürteln um die Erde sind sehr dynamisch und bislang nicht vollständig verstanden. Grund dafür ist ein empfindliches Gleichgewicht zwischen verschiedenen Beschleunigungs- und Verlustprozessen. Es wird angenommen, dass bei der Beschleunigung und dem Verlust der schnellen Elektronen ihre Wechselwirkungen mit verschiedenen Arten von sogenannten Plasmawellen eine entscheidende Rolle spielen. Als Plasma wird das Gemisch diverser geladener Teilchen bezeichnet.
Um die Auswirkungen verschiedener Arten von Plasmawellen auf die Dynamik von Strahlungsgürtel-Elektronen zu quantifizieren, werden umfassende Wellenmodelle benötigt. Sie sollen im Rahmen des WIRE-Projekts durch die Kombination modernster Messungen von mehreren Satelliten, empirische Modellierung, maschinelles Lernen und physikalische Modellierung entwickelt werden.
Dabei liefern Satelliten wichtige Daten für die Entwicklung von Wellenmodellen. Die Parameter des Wellenmodells werden in hochmoderne Codes eingespeist, um die Dynamik des Strahlungsgürtels zu simulieren. Am Ende werden die Simulationsergebnisse anhand von Satelliten-Teilchenbeobachtungen validiert.
Zur Person
Dedong Wang forscht seit 2017 am GFZ in der Sektion 2.7 „Weltraumphysik und Weltraumwetter“ und hat seitdem regelmäßig Lehraufträge an der Universität Potsdam. Seit 2022 ist er stellvertretender Sektionsleiter und Leiter der Arbeitsgruppe „Welle-Teilchen-Wechselwirkungen und deren Effekte“. 2023 wurde er in den internen Wissenschaftlichen Rat des GFZ gewählt.
Wang studierte an der Wuhan University in China, wo er 2014 in Weltraumphysik promoviert wurde und bis 2016 eine Post-Doc-Position innehatte. Für seine Forschung ist er bereits vielfach ausgezeichnet worden. So erhielt er 2019 den GFZ-Preis für Nachwuchswissenschaftler:innen. 2020 wurde er mit dem „Young Scientist Award URSI GASS“ der „International Union of Radio Science“ und einem Poster-Preis ausgezeichnet. Bereits zuvor erhielt er mehrere Preise für die beste Wissenschaftliche Publikation. Im Laufe seines Studiums und seiner Promotion wurde er mit diversen Stipendien gefördert.