Flächennutzung und Ackerbau
Ausführlichere Beschreibung der Methodik
Flächennutzung ist eine hochdynamische Größe. Dies betrifft insbesondere für den Ackerbau zu. Die Fläche wird durch verschiedene Fruchtarten genutzt, die im jährlichen Wechsel – in Fruchtfolgen - angebaut werden. Als Ackerland genutzte Flächen unterliegen regelmäßiger Bodenbearbeitung, Saat, Düngung, Pflege und Ernte der Kulturpflanzenarten. Die Fruchtfolgengestaltung ist von verschiedensten Faktoren abhängig. Zum einen von den Standortverhältnissen (Klima, Boden), zum anderen von kulturartenspezifischen Ansprüchen an die Saatzeit, Bearbeitung und den Wasservorrat. Die Berücksichtigung dieser Zusammenhänge manifestiert sich in der Fruchtfolgelehre. Aber nicht nur die genannten Faktoren beeinflussen die Fruchtfolgegestaltung, oftmals sind auch ökonomische Zwänge für den Anbau bestimmter Kulturen ausschlaggebend. Im konventionellen und integrierten Landbau werden „notwendige Fruchtfolgefehler“, die mit Ertragseinbußen und Krankheits- und Schädlingsbefall einhergehen, durch Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie Herbiziden kompensiert. Im Resultat existieren Bewirtschaftungszustände für einzelne Zeitpunkte und Flächen, die schwerlich nach Raum und Zeit normierbar sind. Von der ursprünglichen Regelhaftigkeit der agronomischen Anbaulehre kann in der Aktualität erheblich abgewichen werden. Deshalb bedarf es für die Einspeisung in Modelle der Erfassung der tatsächlichen Fruchtfolge aus wiederholt flächenhaft gewonnenen Abbildern der Nutzung, aus Fernerkundungsdaten.
Der Forderung nach jährlicher schlaggenauer Erfassung der Fruchtartenverteilung kann nur nachgekommen werden, wenn die zur Zeit vorzugsweise genutzten überwachten Klassifizierungsverfahren auf Basis von Trainingsflächen durch objektivere Algorithmen abgelöst werden. Multitemporale Anwendungen nehmen inzwischen bei der Klassifizierung von Ackerkulturen aus Fernerkundungsdaten einen breiten Raum ein. Zahlreiche Anwendungen für kleine Raum- und Zeitausschnitte haben die Tauglichkeit der Methode nachgewiesen. Die Übertragbarkeit von Methode und Ergebnis auf andere Regionen ist jedoch immer noch eingeschränkt, weil bei der Festlegung der Entscheidungsregeln zur Klassentrennung auf die Bildinhalte der zu klassifizierenden Daten zurückgegriffen wird. Damit ist das Problem eines universellen Klassifikators für Fruchtarten, unabhängig von Witterungs- und Bodeneinflüssen bisher ungelöst. Um zu einer Lösung zu kommen, ist neben der geometrischen und Atmosphärenkorrektur der verwendeten Daten die zeitliche Korrektur der Bildinhalte, geknüpft an den phänologischen Zustand der abgebildeten Früchte, von höchster Wichtigkeit. Die vorgestellten Untersuchungen widmen sich diesem Problem mit der Erzeugung von spektralen Normkurven, die den Zusammenhang zwischen Entwicklungszustand und Spektralwert von Ackerkulturen herstellen. Das stellt wohl den entscheidenden Fortschritt gegenüber bisherigen Lösungsansätzen dar.
Der vorgestellte Ansatz zielt auf die Schaffung spektraler Normkurven für Ackerkulturen, die über das Spektralverhalten die phänologische Situation einzelner Kulturen im vollständigen Jahresverlauf abbilden. Sie ermöglichen damit sofort für jeden phänologischen Zustand die Extraktion der wahrscheinlichen Spektralcharakteristik einer Ackerfrucht. Die entscheidende Variable für die spektrale Charakteristik von Pflanzenbeständen ist die Zeit. Die als langjährige Zeitreihen vorliegenden Eintrittstermine phänologischer Phasen können als Normierungsgrundlage verwendet werden. Im Einzelfall jedoch bildet ein bestimmtes Aufnahmedatum nicht in jedem Jahr den gleichen Entwicklungszustand von Pflanzenbeständen ab. Er ist wesentlich durch witterungsbedingte Varianzen beeinflusst. Aktuelle Witterungsereignisse weichen in der Regel beträchtlich von den durchschnittlichen Witterungsbeschreibungen eines Jahres ab. Da der Zusammenhang zwischen phänologischem Entwicklungszustand und spektralem Abbild herzustellen ist, muss dem Aufnahmedatum einer Szene ein eindeutiger Entwicklungszustand zugeordnet werden. Diese zeitliche Kalibrierung ist Grundvoraussetzung für die Berücksichtigung jahresübergreifender Daten und ermöglicht den Einsatz eines universellen Klassifikators auf der Basis der spektralen Normkurven. Im vorgestellten Ansatz wurden witterungsbedingte Korrekturen in die Datenaufbereitung integriert und der eigentliche Aufnahmezeitpunkt in das jeweils kulturspezifische phänologische Normjahr eingepasst. Die Korrekturen müssen bezogen auf die jeweilige Fruchtart getrennt vorgenommen werden, da verschiedene Kulturen unterschiedlich auf eine konkrete Witterungssituation reagieren.
Über die Kenntnis der Lage von ausgewählten Fruchtanbauflächen, der zugehörigen Spektraleigenschaften in einer 15-jährigen Satellitendatenfolge (35 Landsat-Szenen) und der jeweils abgebildeten phänologischen Zustände lässt sich eine Datenbank der genormten Spektralcharakteristik von Ackerkulturen aufbauen. Auf diese Weise lässt sich der phänologische Ablauf spektral als zeitlich genormte Kurve des mittleren NDVI-Verhaltens eines Winterweizenbestandes abbilden. Bei Kenntnis des abgebildeten Entwicklungszustandes in einer neu zu interpretierenden Satellitenaufnahme kann aus dieser Kurve der für diesen Zustand typische Spektralwert entnommen und zur Klassifizierung verwendet werden.
Für die zwölf im Anbauanteil im Land Brandenburg dominierenden Ackerkulturen sind NDVI-Normkurven der phänologischen Entwicklung erstellt worden (Abbildung 1), die die Basis für die Entscheidungsvorschrift in einem neuen Algorithmus zur Klassifizierung des Anbaumusters für einzelne Anbaujahre darstellen.
Der Klassifizierungsalgorithmus (Abbildung 2a-2c) ist auf die schlaggenaue Erkennung von Ackerkulturen ausgerichtet. Er verwendet das Parallelepipedverfahren, ist pixelorientiert und hierarchisch angelegt. Eigene Untersuchungen haben gezeigt, dass für die optimale Trennung der Fruchtarten eine jährliche Bildfolge von 5 Datensätzen zur Verfügung stehen müsste, die etwa an den Tagen 100, 135, 185, 225 und 255 des phänologischen Normjahres aufgezeichnet sein sollte. Die tatsächlich für die Jahre zur Verfügung stehende Aufnahmeanzahl weicht davon zum Teil deutlich ab, meist stehen viel weniger Aufnahmen zur Verfügung.
Im hierarchischen Ansatz werden zunächst Dauerkulturflächen ermittelt, danach Winter- und Sommerkulturen separiert und nach erfolgter Maskierung getrennt klassifiziert. Die Ergebnisse der Teilklassifizierungen werden verknüpft und abschließend einer schlagbezogenen Majoritätsanalyse unterzogen. Die jeweilige Entscheidungsregel zur Klassenzuweisung kann unmittelbar aus den Normkurven gewonnen werden. Die für das Anbaujahr existierenden Bilddatensätze müssen dazu in das phänologische Normjahr eingepasst werden. Für jede Kultur wird anhand von Beobachtungsdaten des DWD der in der Aufnahme abgebildete phänologische Zustand ermittelt und die zugehörigen Spektralwerte der Normkurve entnommen.
Die Nutzung des Verfahrens ermöglichte eine zügige Ermittlung der Anbaukulturen für verschiedene Anbaujahre und Gebietsausschnitte. Das Untersuchungsgebiet ist das Einzugsgebiet der Havel (ausgenommen der Spree) mit seinen administrativen und naturräumlichen Einheiten. Es hat eine Fläche von ca. 14000 km², liegt im Nordostdeutschen Tiefland und ist durch intensive landwirtschaftliche Nutzung auf überwiegend sandigen Böden geprägt (Bronstert & Itzerott 2006). Die Kalibrierung des Algorithmus und die Validierung der Ergebnisse wurde wegen der benötigten statistischen Daten an vier räumlich getrennten Teilräumen durchgeführt. Diese wurden so ausgewählt, dass sie das naturräumliche Spektrum des Havelgebietes (Jacobs 2006) in groben Zügen abdecken (Bodengüte, Wasserdargebot). Insgesamt wurde der Algorithmus für sieben verschiedene Vegetationsperioden (1994–2000) für alle vier Testgebiete (jeweils etwa 750 km²) angewendet. Außerdem wurde für die Jahre 1999 und 2000 das gesamte Untersuchungsgebiet der Havel mit diesem Ansatz bearbeitet. Neben der Erfassung des Anbaumusters für einzelne Jahre lassen sich aus den Ergebnissen Aussagen über die Fruchtfolge und über die mit der angebauten Frucht verknüpften Nutzungsspezifiken (z.B. Düngemenge, Wasserentzug) treffen.
In einer Gegenüberstellung des Klassifizierungsergebnisses aus dem entwickelten Verfahren mit den Ergebnissen einer herkömmlichen Maximum-Likelihood-Klassifizierung und den Anbauinformationen für einen Agrarbetrieb (Abbildung 3) zeigt sich, dass der neue hierarchisch strukturierte Ansatz auf der Basis von Normkurven Ergebnisse ähnlicher Güte erzielt und seine Verwendung gerechtfertigt ist. Der entscheidende Vorteil besteht jedoch in der Existenz eines abrufbaren Klassifikators in Form einer Normkurve. Es bedarf lediglich der Einpassung der Aufnahmezeitpunkte des zu untersuchenden Anbaujahres in das Normjahr der phänologischen Entwicklung jeder Kultur, um daraus die Entscheidungsvorschrift zu erstellen. Dieser Schritt ist wesentlich effizienter als die jeweils erneute Gewinnung von Spektralsignaturen aus dem Bild bei herkömmlichen Verfahren. Erst der damit verbundene Zeitgewinn bringt Aufwand und Nutzen in Monitoringansätzen in ein vertretbares Verhältnis.
Die Güte eines Klassifizierungsergebnisses wird prinzipiell von der Güte des Klassifikators beeinflusst. Im vorliegenden Fall betrifft das wesentlich die in die Normkurve eingegangenen Informationen. Durch das Hinzufügen neuer Daten kann der „Informationsspeicher Normkurve“ vervollkommnet werden. Aber auch auf der Seite der zur Klassifizierung genutzten Daten ergeben sich Potenzen zur Verbesserung der Ergebnisqualität. Sie liegen zum einen in der Verdichtung der Aufnahmefolgen durch verkürzte Wiederkehrraten (in zukünftigen Satellitenmissionen wie RapidEye oder EnMAP) und zum zweiten in der Berücksichtigung wachstumsdifferenzierender Naturraumbedingungen (natürliche Wasserverfügbarkeit und Bodengüte) und Bewirtschaftungsmaßnahmen (Bewässerungsmaßnahmen, Düngemanagement) durch spezifizierte Normkurven. Als dritter Aspekt kann die Nutzung von Hyperspektralinformationen zukünftiger Sensoren (EnMAP) zur Ableitung der phänologischen Zustandsinformation aus dem Satellitendatensatz Eingang ins Verfahren finden.
Die Ergebnisse der Fruchtartenklassifikation lassen sich für die Weiterverarbeitung in Stoffhaushaltsmodellen mit Angaben über die für einen guten Ertrag empfohlenen Düngegabemengen verknüpfen. Die jährliche, schlaggenaue Feldfruchtkartierung aus Fernerkundungsdaten kann auf der Grundlage der Brandenburgischen Düngeempfehlung problemlos mit zu erwartenden Düngegaben verknüpft und so eine Karte der Stickstoffdüngung abgeleitet werden. Auch wenn sich der Landwirt nicht immer an diese Empfehlungen hält, sondern seine eigenen Ertragserfahrungen auf seinen Flächen zu mehr oder weniger starken Abweichungen davon nutzt, kann man für wissenschaftliche Zwecke eine weitgehend der Realität entsprechende Karte der Verteilung der diffusen Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft erzeugen. Im Vergleich der aus der Klassifizierung hervorgehenden N-Düngekarte eines Landwirtschaftsbetriebes mit der Karte, die aus der Verknüpfung der echten Anbauinformation mit den Düngeempfehlungswerten entsteht, wird dieser Fakt deutlich (Abbildung 4). Erhebliche Fehleinschätzungen beschränken sich auf 13% der Fläche. Besonders gravierend wirken sich Klassifikationsfehler aus, die Brachen betreffen. Das berührt sowohl nicht erkannte Brachflächen als auch fälschlicherweise als Brache klassifizierte Flächen. Da Brachen nicht gedüngt werden, ergibt sich daraus immer ein erheblicher Fehler. Außerdem zeigen sich beträchtliche Differenzen durch Fehlzuweisung zwischen Ölfrüchten/Leguminosen und Kartoffeln. Beide Klassen besitzen ähnliche Normkurven aber einen stark verschiedenen Düngebedarf. Zu deutlichen Fehlern in der Düngeabschätzung (30% der Fläche) kommt es, wenn Verwechslungen zwischen Kulturen mit hohem Düngebedarf und solchen mit geringerem Nährstoffanspruch entstehen. Das betrifft insbesondere die anspruchsvollen Kulturen Winterraps und Winterweizen sowie Zuckerrübe. Für 57 % der Fläche kann konstatiert werden, dass keine oder nur eine geringe Abweichung zur Düngeempfehlung besteht. Dieses Ergebnis wird dadurch beträchtlich aufgewertet, dass diese Angaben einen echten Schlagbezug haben.
Durch die Nutzung von Fernerkundungsdaten können großflächig Informationen über Zustände und Prozesse in der Landschaft gewonnen werden. Dabei können verschiedenste Raumbezüge hergestellt werden können (vgl. Abb. 5). Während bisher in der Raumplanung Betrachtungsräume durch administrative Grenzen definiert wurden, setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass Analysen, Diagnosen und Prognosen auf Naturraumgrenzen bezogen vorgenommen werden müssen. So setzt die europäische Wasserrahmenrichtlinie beim Einzugsgebiet an und nicht bei Staats- und Landesgrenzen. Die vorgestellte Methode trägt dieser Tatsache Rechnung, indem der Raumausschnitt jederzeit durch entsprechende Masken in interessierende Teilräume gegliedert werden kann. Differenziert betrachtbar werden Teilräume, die sich aus Naturraumgrenzen (Flusseinzugsgebiete etc.), administrativen Grenzen (Kreisebene, Gemeindeebene etc.), unterschiedlichen ökonomischen Bewertungen (nach Landbaugebiet, nach Wirtschaftsweise etc.), ökologischen Sensibilitäten (Naturschutzkategorien, Trinkwasserschutzzonen etc.) oder sozialen Rahmenbedingungen (Förderprogramme, Ausgleichzahlungen etc.) ergeben. Die Fernerkundungsmethode kann administrativ und naturräumlich verankerte Informationen verknüpfen und die Lücke zwischen beiden schließen helfen. So zeigt Abbildung 5 die auf der räumlichen Bezugseinheit „Einzugsgebiet“ gewonnenen Anbaudaten, die durch die Verknüpfung mit der Düngeinformation Aussagen für untergeordnete Raumeinheiten sowohl administrativer (Landkreis) als auch naturräumlicher (Teileinzugsgebiet) Art erlauben.