Natürliches Forschungslabor Zentralasien – Dem tektonischen Fingerabdruck einer Kontinentalkollision auf der Spur
Die Pamir-Hindukusch-Region in Zentralasien ist wegen der dort häufig auftretenden mitteltiefen Erdbeben weltweit einmalig. Solche mitteltiefen Erdbeben (Beben bis 300 km tiefe) treten üblicherweise gehäuft nur in ozeanischen Subduktionszonen aus. Entgegen dieser allgemein akzeptierten plattentektonischen Regeln gibt es in der Pamir-Hindukusch-Region – weit weg von jeglichem (paläo-)ozeanischem Becken – Erdbeben die mit subduzierender kontinentaler Lithosphäre in Verbindung stehen.
Hauptantriebskraft für tektonische Prozesse in der Region ist die nordwärts gerichtete Bewegung des indischen Kontinents, die gegen den asiatischen Kontinent drückt. Dennoch führen diese Kräfte zu ganz unterschiedlichen Typen von Gebirgsbildung und kontinentalerer Subduktion in der Pamir-Hindukusch-Region: Das bogenförmige Pamirgebirge entstand auf der asiatischen Seite dieser Kollision. Während seiner Entstehung wurde asiatisches Krustenmaterial von einem Sporn des nordwestlichen indischen Kratons bis zu 300 km nach Norden geschoben. Gleichzeitig wurde die asiatische Mantellithosphäre in den Erdmantel gedrückt. Unter dem Hindu Kusch ist die Situation genau umgekehrt. Hier wird ausgedünnte indische Lithosphäre subduziert. Momentan befindet sich dieses subduzierte Lithosphärenragment kurz vor dem Abreisen. Die dadurch entstehenden enormen Spannungen werden durch häufige, starke Magnitude 7+ Erdbeben in und unter der Kruste abgebaut.
In diversen Forschungsprojekten versuchen wir die Deformation und die Wechselwirkung zwischen krustaler und tiefer lithosphärischen Prozessen in der Pamir-Hindukusch-Region zu verstehen. Unsere laufenden Projekte stellen wir weiter unten vor. Sie bauen auf die bereits abgeschlossenen Projekte TIPTIMON, TIPAGE und FERGHANA auf und werden durch das soeben angelaufene CATENA Projekt ergänzt. Abbildung 1 zeigt die geographische Lage dieser verschiedenen Teilprojekte.
Abbildung 1: Laufende (violett) und abgeschlossene (grün) Projekte innerhalb des „natürlichen Forschungslabors Zentralasien“, einer Region, die sich durch die hohe Aktivität an mitteltiefer Seismizität unterhalb des Pamirs und des Hindu Kuschs (schwarz) auszeichnet.
a) Am Rande des Pamirs: Verkürzungsraten mit Hilfe von Weltraumgeodäsie eruieren
Es gibt nur wenig interkontinentale Verwerfungen mit höheren Versatzraten als wie sie entlang des nördlichen Randes des Pamirs mit 10-15 mm/a gemessen werden. Die Pamir Hauptüberschiebung übernimmt hier den Löwenanteil der Nordwärtsbewegung des indischen Kontinents (FigA1). Wir wollen den Verhakungsgrad dieser Verwerfung bestimmen, und wie die Struktur sich weiter entlang des nordwestlichen und westlichen Randes des Pamirs fortpflanzt, wo aufgetürmtes orogenes Material in das tadschikische Becken kollabiert. Seit 2013 sammeln wir kontinuierliche und episodische GPS Daten entlang fünf Messprofilen, die allesamt den Pamirrand überqueren (FigA2). Ziel ist es, die Aktivität der Strukturen zu quantifizieren, welche bereits durch krustale Seismizität identifiziert wurden. Die Resultate werden mit Deformationskarten aus einer Satellitenradar(InSAR)-Zeitreihenanalyse vervollständigt.
FigA1: Kontinuierliche GPS-Versatzraten über der Pamir Hauptüberschiebung (PFT) (Zubovich et al., 2016)
FigA2: Installation einer GPS Station im Westpamir während einer GPS Messkampagne.
PIs: Sabrina Metzger (4.1), Tilo Schöne (1.2)
Finanzierung: GFZ Expeditionsmittel, ACROSS, GCO-CA
Projektdauer: 2013-2019
Partner: Tadschikische Akademie der Wissenschaften, CAIAG Kirgistan
Publikationen: Zubovich, A., T. Schöne, S. Metzger, O. Mosienko, Sh. Mukhamediev, A. Sharshebaev, and C. Zech (2016), Tectonic interaction between the Pamir and Tien Shan observed by GPS, Tectonics, 35, 283–292, doi:10.1002/2015TC004055.
b) Im Innern des Pamirs: Interdisziplinäre Analyse der großen Erdbeben von 1911 und 2015
Im Vergleich zum äußerst aktiven Rand zeigt der Pamir intern viel weniger Deformation und auch eine gemäßigtere krustale Seismizität. Doch auch hier gibt es wiederholt starke Erdbeben von Magnitude 7 und mehr: In 1911 führte das große Sarez-Erdbeben zu einem gewaltigen Erdrutsch, welcher heute als natürlicher Damm den Sarez-See staut. In 2015 wurde dasselbe Gebiet erneut von einem großen Erdbeben heimgesucht, welches einen ähnlichen Mechanismus aufweist wie das Erdbeben im Jahrhundert davor. Wir konnten mit Hilfe von geologischen Feldbeobachtungen und Radarsatelliten-Versatzmessungen (FigB1) den Erdbeben-Mechanismus simulieren und aufzeigen, dass im Beben von 2015 das Sarez-Karakul Verwerfungssystem aufbrach. Dieses System trennt den westwärts kollabierenden Westpamir vom rheologisch festeren Ostpamir (FigB2). Beide Erdbeben sind wahrscheinlich die krustale Antwort auf den indischen Sporn, welcher sich direkt unterhalb in die asiatische Kruste bohrt. Dieses Projekt bildete den Startschuss für das CATENA Projekt.
FigB1: Beobachtungen des seismischen Versatzes, wie er während des 2015er Erdbeben mit Radarsatelliten beobachtet wurde. Die pinke Linie zeigt den Verlauf der Oberflächenruptur an.
FigB2: Blockdiagramm der Kinematik (grün), Hauptspannungsrichtungen und Versatztypen im Pamir. Der Ostpamir wird blockweise nach Norden geschoben, der Westpamir verformt sich innerlich und kollabiert gleichzeitig in das tadschikische Becken.
PIs: Sabrina Metzger (4.1), Bernd Schurr (4.1), Sofia-Katerina Kufner (4.1)
Finanzierung: GFZ Expeditionsmittel
Projektdauer: 2015-2017
Partner: Uni Kiel, TU Freiberg, Uni Montana, Uni Peking
Publikation: Metzger S., B. Schurr, L. Ratschbacher, H. Sudhaus, S.-K. Kufner, T. Schöne, Y. Zhang, M. Perry, and R. Bendick (2017), The 2015 Mw7.2 Sarez strike-slip earthquake in the Pamir interior: Response to the underthrusting of India's western promontory, Tectonics, 36, doi:10.1002/2017TC004581.
c) Die Seismotektonik Afghanistans – Was passiert bei einem kontinentalen Plattenabriss?
Seit Frühjahr 2017 entsteht im Nordosten Afghanistans ein temporäres Netzwerk bestehend aus 15 kurzperiodischen Seismometern. Ziel des Projekts ist das bessere Verständnis der Dynamik eines Plattenabrisses, wie er gerade unter dem Hindukusch passiert, und dessen Auswirkungen auf die Seismotektonik der Region. Die detaillierte geodynamische Echtzeitbeobachtung eines solchen Ereignisses war bis jetzt kaum möglich, da der Plattenabriss unter dem Hindukusch zwar weltweit einzigartig ist aber gleichzeitig kein modernes seismologisches Überwachungsnetzwerk in Afghanistan existiert.
PIs: Sofia-Katerina Kufner (4.1), Bernd Schurr (4.1), Xiaohui Yuan (2.4)
Finanzierung: GFZ Expeditionsmittel
Projektdauer: 2017-2019
Partner: Afghanischer Geologischer Dienst (AGS); Aga Khan Stiftung (AKAH)