Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Klima- und Biodiversitäts-Schutz besser verknüpfen

„Wir müssen verstärkt Landnutzungsänderungen in den Fokus rücken“, sagt Prof. Martin Herold im Interview anlässlich der 29. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention in Baku.

Einleitung

Auf der 28. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention im Dezember 2023 hatte das GFZ erstmals einen offiziellen Beobachterstatus und war mit einer dreiköpfigen wissenschaftlichen Delegation vertreten. Auf der diesjährigen 29. Vertragsstaatenkonferenz (COP29), die vom 11. bis 22. November 2024 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku stattfindet, sind Dr. Kathleen Mar vom Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit RIFS und Dr. Abror Gafurov aus der Sektion 4.4 Hydrologie erneut für das GFZ vor Ort.

Prof. Martin Herold ist in diesem Jahr nicht dabei. Ihn haben wir zu seinen Eindrücken von der letzten Conference of Parties (COP) interviewt und ihn auch um einen Ausblick auf die diesjährige Konferenz in Baku gebeten. Martin Herold ist Leiter der Sektion 1.4 „Fernerkundung und Geoinformatik“ am GFZ. Er forscht insbesondere zur globalen Dynamik von Landoberflächen und arbeitet an der Verknüpfung von Datenströmen aus den unterschiedlichen Quellen der Boden-, Nah- und Fernerkundung. Herold ist international gut vernetzt und war u.a. leitender IPCC-Autor.

Herr Prof. Herold, Sie waren bereits auf vielen Vertragsstaatenkonferenzen der UN-Klimarahmenkonvention?
Ja, ich habe seit 2005 an vielen COPs mitgewirkt. An den vorherigen Vertragsstaatenkonferenzen habe ich über eine Delegation der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA teilgenommen. Letztes Jahr war ich mit der offiziellen GFZ-Delegation vor Ort. Dieses Jahr verfolge ich das Geschehen aus der Ferne.

Was waren große Themen auf der letzten COP und was wird Ihrer Meinung nach in diesem Jahr eine herausragende Rolle spielen?
Ein großes Thema auf der letzten Vertragsstaatenkonferenz war das Thema „Schäden und Verluste durch den Klimawandel“. Viel drehte sich dabei um Mechanismen zur Kompensation von Klimaschäden und natürlich um die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen. Auch in diesem Jahr wird die Finanzierung des Klimaschutzes, insbesondere in den Schwellenländern und den ärmsten Staaten der Erde, eine herausragende Rolle spielen.

Welchen Beitrag kann Ihre Forschung leisten?
Wir können die Klimaschutzverhandlungen mit unserer Forschung vor allem im Themengebiet „Globale Klimabeobachtung“ unterstützen, durch die systematische und langfristige Beobachtung des Klimas auf globaler wie regionaler Ebene. Zu den wichtigen Zielen unserer Forschung gehört es, die Beobachtungssysteme so zu verbessern, dass bestehende Beobachtungslücken geschlossen werden können. Und wir sind aktiv dabei, Ländern zu helfen, ihre Klimaziele umzusetzen, z.B. unterstützen wir bei der Reduzierung von Treibhausgasemissionen und deren Quantifizierung. Neben den fossilen Energieträgern spielt hier auch der Landnutzungssektor eine ganz wesentliche Rolle. Wir Wissenschaftler:innen liefern die nötigen Informationen, damit dann konkrete Pläne und Maßnahmen entwickelt werden können.

Welche Vorschläge zum Klimaschutz in Entwicklungsländern gibt es beispielsweise? Könnten Sie einige wichtige Punkte kurz erläutern?
Wenn man in den Tropen Treibhausgase reduzieren will, ist die Landnutzung ein wichtiger Ansatzpunkt. Verschiedene Landnutzungen und ihre Veränderungen haben unterschiedlichen Einfluss auf die Emissionen. Landnutzungsänderungen, zum Beispiel die Umwandlung von tropischem Wald zu Ackerland, sind in der Summe häufig eine größere Quelle für CO2 als die Nutzung fossiler Energieträger vor Ort. Bei der Landnutzung spielen Waldveränderungen, aber auch Feuer eine große Rolle. Unsere Fernerkundungsdaten, die wir zum Beispiel mit Satelliten oder Drohnen erheben, können beides raum-zeitlich detailliert erfassen.

Spielen bei den Landnutzungsänderungen auch Moore eine Rolle?
Ja sicherlich, in den Tropen werden immer noch massiv Moore umgewandelt und trockengelegt, um den Boden landwirtschaftlich zu nutzen. Es gibt große Moorbereiche in Südostasien, zum Beispiel in Indonesien, auf denen ein großer Nutzungsdruck lastet. Auch in Zentralafrika und Südamerika gibt es große Moore, hier ist der Nutzungsdruck aber noch nicht ganz so groß. In Deutschland und Europa wird hingegen die Wiedervernässung von Mooren als Klimaschutzmaßnahme diskutiert und angegangen. Hier sind wir auch am GFZ regional sehr aktiv, z.B. in Brandenburg. Feuchte Moore können langfristig viel mehr Kohlenstoff im Boden speichern als normale Wälder, sodass wir hier pro Fläche sehr große Wirkungen erzielen können.

Der Waldverlust ist jedoch nach wie vor weltweit ein Thema?
Ja, wir sehen allgemein, dass die Waldflächen zurückgehen, vor allem in den Tropen wird noch massiv abgeholzt und auch durch Brände gehen große Flächen verloren. Grundsätzlich ist Waldverlust immer schlecht für das Klima. Waldverlust zu reduzieren ist daher ein Thema, an dem viele Länder arbeiten, sowohl in den Tropen als auch in Europa. Bei uns sehen wir eine Zunahme von Klimaextremen, die den Wäldern zu schaffen machen und die durch Waldverlust zu weiteren Treibhausgasemissionen führt. Auch in Europa mehren sich also die Zeichen, dass uns der Wald als wichtige Kohlenstoffsenke zunehmend verloren geht. Hier können wir inzwischen auf eine deutlich verbesserte Datenlage bauen. Wir wissen besser, wo sich der Wald verändert, warum, und auch wie die CO2- bzw. Kohlenstoffbilanz ist. Und wir wissen, wo anzusetzen wäre, um den Wald besser zu schützen – zum Beispiel mit angepassten Baumarten und mehr Diversität.

Was sind weitere wichtige Themen bei der COP29 mit Bezug zu Ihrer Forschung?
Eine andere wichtige Frage ist, wo man in Landnutzungssystemen, in denen u.a. Landwirtschaft betrieben wird, wieder mehr Kohlenstoff in die Landschaft, den Boden und in die Vegetation einbringen kann. Das wäre wichtig im Sinne von negativen Emissionen.

Im letzten Jahr verpflichteten sich die unterzeichnenden Regierungen im „COP28 Joint Statement on Climate, Nature and People“ integrierte Maßnahmen zu Klimakrise, Artenaussterben und Landdegradierung zu ergreifen. So sollen Synergien zwischen dem Pariser Abkommen und dem Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework, welches den Erhalt der weltweiten Biodiversität zum Ziel hat, gefördert werden. Ist das ein wichtiger Ansatzpunkt?
Ja, das ist ein überaus wichtiger Ansatzpunkt. Denn wenn man an den Schutz der Natur und der Ökosystemdienstleistung denkt, ist Klima nur ein Thema von vielen. Und das ist ein bisschen das Problem der Klimakonvention. Das Pariser Klimaabkommen ist als Prozess weiterhin aktiv und erfolgreich, auch wenn nicht immer alles umgesetzt werden kann, was man sich vorgenommen hatte. Aber letztendlich ist es überaus wichtig, die Klimafrage auch mit anderen Fragen zu verknüpfen, etwa mit der Landnutzungsfrage, mit der Frage nach Biodiversität und auch mit der Frage nach unserer Existenzgrundlage. Das gehört alles zusammen. Es ist also sehr wichtig, dass es nicht nur um Kohlenstoff (CO2-Minderung) geht. Es geht auch um die Anpassung an die sich wandelnden Bedingungen gehen, damit unsere Lebensgrundlagen erhalten bleiben. Beispielsweise sind diverse Wälder resilienter, sie werden besser mit dem Klimawandel umgehen können. Und zum anderen sind Biodiversität und die nachhaltige Landnutzung Themen, die unabhängig vom Klimawandel herausfordernd und wichtig sind. Es ist eine gemeinsame Aufgabe, sich um das große Ganze zu kümmern und nicht nur die Klimabrille auf zu haben.

Welche Fortschritte erachten Sie in den kommenden Jahren speziell in Bezug auf Ihre Forschungsthemen als notwendig? Welche Themen und wissenschaftlichen Fakten müssten verstärkt durch die Politik berücksichtigt werden?
Die Klimabeobachtung ist eine Daueraufgabe, denn nur lange und konsistente Zeitreihen helfen uns, die Effekte des Klimawandels auch als solche zu erkennen und von kurzfristigen Phänomenen zu unterscheiden. Das ist zwar nichts Neues, aber man muss immer wieder darauf hinweisen. Hierfür müssen langfristig Satelliten- und Geländemessungen kombiniert werden. Die Beobachtungsdaten sind einerseits Grundlage für Klimaschutzmaßnahmen. Und andererseits helfen sie nachzuverfolgen, welche Fortschritte wirklich durch von uns initiierte Veränderungen bei der Landnutzung erzielt werden – wenn wir zum Beispiel ein bestimmtes Moor wiedervernässen, jenen Wald geschützt haben oder ein konkretes Gebiet wiederaufgeforstet haben. Das ist nicht nur wichtig, um ein allgemeines Verständnis für die Auswirkungen von Maßnahmen zu erlangen, sondern auch, um die Menschen vor Ort bei der Umsetzung konkret zu unterstützen. Neben den globalen Beobachtungen muss man auch schnell und lokal Informationen liefern. Bei Helmholtz werden genau solche angewandten Themen, die politisch und gesellschaftlich besonders gefragt sind, weil sie zur besseren Umsetzung von Maßnahmen beitragen, sich auch in unserer neuen langjährigen Forschungsstrategie POF-V widerspiegeln, die wir zurzeit ausarbeiten.

Welche Themen auf der COP 29 sind Ihrer Meinung nach politisch besonders relevant?
Die Frage nach Verlust und Schäden und nach der Anpassung an Klimaveränderungen ist für mich besonders wichtig. Und ich halte es für essenziell, dass Entwicklungsländer mehr Unterstützung bekommen, um sich anzupassen. Das ist der Weg, den man gehen und zu dem auch die Wissenschaft weiter beitragen muss. Wir haben das Pariser Klimaabkommen, das den großen Rahmen setzt. Um die dort formulierten Ziele zu erreichen, müssen wir jetzt handeln. Dazu kommt die Gesetzgebung der Europäischen Kommission in den letzten Jahren. Wir brauchen Transformation, sowohl in der Wirtschaft als auch auf der individuellen Ebene. Die nationale Politik ist in der dringenden Verantwortung, hierfür die Rahmenbedingungen zu schaffen. Angesichts der damit verbundenen Herausforderungen bedarf es auch kritischer Diskussionen zwischen allen Mitgliedern unserer Gesellschaft. Das ist sicher nicht immer einfach aber notwendig, um die Transformation als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzugehen.

Auch für uns in der Wissenschaft stellt sich die Frage, wie wir die Lösungsentwicklung weiter unterstützen können. Wenn wir in meinem Fachgebiet die Landnutzungsfragen betrachten, so sind das sehr komplexe Fragen, bei denen Natur, Wasser, Landnutzung, Produktion und Wirtschaft eine Rolle spielen. Dies wissenschaftlich zu begleiten und Tradeoffs und Synergien aufzuzeigen, schafft nicht eine Disziplin und nicht eine Institution allein. Auch aus diesem Grund setzen wir bei Helmholtz mit unserem vorausschauenden Forschungsrahmenprogramm verstärkt auf inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit und Lösungsansätze.

Welche großen Beiträge der Geowissenschaft zu Klimaschutz- und Anpassungsfragen erwarten Sie in den kommenden Jahren? Und wie gut ist das GFZ hierfür aufgestellt?
Ein derzeit vieldiskutiertes Thema sind negative Emissionen. Wir wollen natürlich die Treibhausgasquellen reduzieren, aber man kann eben auch die Senken stärken. Beides hilft dem Klima. Natürliche Senken haben wir nicht so viele. Wälder, Böden und unsere Ozeane sind gut nachgewiesene Senken. Sie nehmen heute CO2 in großem Stil auf, aber sind durch die Erderwärmung teils weniger effektiv. Daher wird die Erforschung und Realisierung anderer Möglichkeiten, auch technischer Art, in Zukunft bedeutender werden. Dazu gehört zum Beispiel CCS, also das Auffangen und geologische Speichern von CO2. Hier sehe ich auch das GFZ zusammen mit dem Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit RIFS in einer guten Position und Rolle, denn für die negativen Emissionen gibt es verschiedene Lösungen. Letztendlich wird es nicht die eine goldene Lösung zum Schutz des Klimas geben, wir brauchen eine Kombination aus vielen verschiedenen Maßnahmen. Wir als GFZ sind sowohl für die technischen als auch für die natürlichen Klimalösungen gut aufgestellt und sehr aktiv: Wir liefern wichtige Daten, arbeiten an neuen Methoden und können wissenschaftlich fundiert vergleichen, was wo funktionieren kann. Und wir stellen unser Wissen nicht nur der Forschungsgemeinschaft zur Verfügung, sondern auch der Politik und der Gesellschaft, durch Gespräche, durch Infoveranstaltungen, durch Faktenblätter. Das GFZ ist diesbezüglich in der Tat sehr holistisch aufgestellt. Und mit dem Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit RIFS haben wir einen Partner im Haus, der mit seinem Ansatz der Transformativen Nachhaltigkeitsforschung auch die politisch-gesellschaftliche Umsetzung in den Blick nimmt. Generell gilt – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der US-Wahlen und der Erwartung, dass sich die USA in den nächsten Jahren wohl deutlich weniger im Klimaschutz engagieren werden: Die Wissenschaft muss sich gerade jetzt vernetzen, Wissen vertiefen und hartnäckig an Lösungen weiterforschen. Denn nur so kommen wir dem Ziel näher, dem Klimawandel noch etwas entgegen zu setzen.

Herr Prof. Martin Herold, wir danken für das Gespräch!

*Zulassung als Beobachterorganisation auf COPs:
Organisationen (Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und zwischenstaatliche Organisationen (IGOs)) müssen von der Vertragsstaatenkonferenz (COP) als Beobachterorganisationen zum UNFCCC-Prozess zugelassen werden, um Vertreter zu allen UNFCCC-Sitzungen oder Veranstaltungen entsenden zu können.

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