Kombination und VLBI
Kombination der geodätischen Raumverfahren
Der hoch-genaue Internationale Terrestrische Referenzrahmen (ITRF) ist die Grundlage der metrischen Quantifizierung mit Bezug zur Erdoberfläche und daher für viele Anwendungen praktischer und theoretischer Art unersetzlich, darunter die Bestimmung der Höhe des Meeresspiegels und deren Veränderung. Um die so genannten GGOS Ziele (Globales Geodätisches Beobachtungssystem, Hauptprojekt der IAG – Internationale Assoziation für Geodäsie) zu erreichen, das sind Anforderungen an das ITRF von 1 mm Genauigkeit und 0,1 mm pro Jahr Stabilität, ist eine rigorose Kombination der geodätischen Raumverfahren unter Zuhilfenahme so-genannter „lokaler Ties“ notwendig. Lokale Ties sind Koordinatendifferenzen zwischen den Referenzpunkten verschiedener Sensoren an Ko-lokationsstationen. Die Verknüpfung der geodätischen Raumverfahren geschieht über so genannte Ties und wir beschäftigen uns daher intensiv mit der Etablierung neuer und der Verbesserung bestehender Ties, u.a. globaler Ties (Schätzung gemeinsamer EOP), lokaler Ties, Space Ties (gemeinsame Orbitbestimmung von LEO oder MEO Satelliten), troposphärischer Ties, und Uhren-Ties. Unsere Forschung beinhaltet neue Methoden und innovative Ansätze für die best-mögliche multi-Technikkombination zur Realisierung konsistenter Referenzrahmen: TRF, CRF (himmelsfester Referenzrahmen), und EOP (Erdorientierungsparameter).
Abhängig von der Beobachtungsfrequenz werden gleichzeitig und in die gleiche Richtung beobachtete Messsignale der geodätischen Raumverfahren an Ko-lokationsstationen in ähnlicher Weise durch atmosphärische Refraktion beeinflusst. z.B. die Mikrowellen-basierten (GNSS, VLBI, DORIS) oder die optischen Messverfahren (LLR, SLR). Deshalb können gemeinsame troposphärische Parameter, Laufzeitverzögerungen und horizontale Gradienten, bestimmt werden. Dafür müssen troposphärische Ties berechnet und angebracht werden. Wie wir in verschiedenen Studien gezeigt haben, kann die Bestimmung gemeinsamer troposphärischer Parameter nicht nur die troposphärischen sondern auch andere Parameter verbessern, besonders wenn Messverfahren zum Einsatz kommen, die zeitlich nicht über eine hohe Auflösung und / oder nicht über eine ausreichende räumliche Verteilung von Beobachtungen verfügen. Troposphärische Ties können beispielsweise VLBI-Ergebnisse in einer kombinierten GNSS-VLBI-Lösung positiv beeinflussen; ebenso bei zwei VLBI Antennen, die an einer Ko-lokationsstation betrieben werden. Diese neuartige Kombination führt zu einer verbesserten Wiederholbarkeit von Basislinienlängen und anderer Ziel-Parameter.
Neben der Kombination, beschäftigt sich die Arbeitsgruppe insbesondere mit dem Messverfahren VLBI und deren geodätische und astrometrische Anwendungen.
Very Long Baseline Interferometry (VLBI)
Die Radiointerferometrie auf langen Basislinien (Very Long Baseline Interferometry, VLBI) ist ein hochgenaues Messverfahren, das seit den 1970er Jahren in der Astrometrie (beobachtende Positionsastronomie) wie auch in der Geodäsie eingesetzt wird. So können z.B. weltweite Entfernungen mit Genauigkeiten von wenigen Millimetern gemessen werden. Die VLBI trägt wesentlich zum globalen terrestrischen Referenzrahmen (ITRF) bei, insbesondere zur Realisierung des Maßstabs und zur Stabilität, und liefert als einziges der geodätischen Raumverfahren den Bezug zum himmelsfesten Referenzrahmen (ICRF) und damit hypothesenfrei alle Erdorientierungsparameter (EOP): Koordinaten des Rotationspols mit Bezug zur Erdoberfläche, ERA (Erdrotationswinkel), der linear proportional zur mittleren Sonnenzeit UT1 ist, und Koordinaten des himmelsfesten Pols.
Bei dem Verfahren beobachten gleichzeitig mehrere weltweit verteilte Radioteleskope das gleiche Objekt am Himmel. In Abb. 2 ist eine Beobachtung schematisch dargestellt: Die empfangenen Radiosignale werden aufbereitet, gemeinsam mit der von exakten Frequenznormalen (Wasserstoff-Maser) erhaltenen Frequenz digital aufgezeichnet und an einen sogenannten Korrelator gesandt. Dort wird durch Vergleichen der Aufzeichnungen festgestellt, wie groß der Zeitunterschied ist, den dasselbe Signal benötigt hat, um nach der ersten auch an der anderen Station anzukommen. Mit dieser Information lassen sich dann die Basislinien, 3-dimensionale räumliche Vektoren zwischen den Stationen, mit einer Genauigkeit von wenigen Millimetern bestimmen. In der Astrometrie wird das Verfahren auch zur Vermessung der Positionen der Radioquellen mit einer Präzision von durchschnittlich 0,00004 Bogensekunden genutzt. Dies entspricht von der Erde aus betrachtet der genauen Positionierung eines Tennisballs auf dem Mond.
Die Positionen der VLBI-Stationen tragen wesentlich zum globalen terrestrischen Referenzrahmen (ITRF) bei, dessen stabile Referenzpunkte deshalb auch ideal zur Vermessung der Erde eingesetzt werden können, um Prozesse auf der Erde mit hoher Präzision festzustellen. Diese Änderungen beruhen auf Phänomenen, wie zum Beispiel dem globalen Anstieg des Meeresspiegels oder der tektonischen Plattenbewegung. Die aus den VLBI-Messungen gewonnenen Ergebnisse sind äußerst aufschlussreich: In Abb. 3 ist zu erkennen, wie sich die knapp 6.000 Kilometer entfernten Stationen in Westford (Ma, USA) und Wettzell (D) aufgrund der Kontinentaldrift um etwa zwei Zentimeter pro Jahr auseinanderbewegen. Die abnehmende Streuung in den Messwerten lässt den Fortschritt in der Messtechnik erkennen.
In der VLBI Datenauswertung müssen zahlreiche Störeinflüsse korrigiert werden. So werden die Radiowellen in der Atmosphäre "abgebremst", besonders in der untersten Schicht, der etwa zehn Kilometer hohen Troposphäre, in der sich unser Wettergeschehen abspielt. Die Laufzeitunterschiede liefern hier über längere Zeiträume betrachtet wichtige Informationen über den Wasserdampf in der Atmosphäre, der als Treibhausgas maßgeblich das Erdklima beeinflusst. Und schließlich sind auch die Rotationsschwankungen der Erde selbst zu berücksichtigen, die dazu führen, dass der Pol seine Lage kontinuierlich ändert (Polbewegung) und die Länge eines Tages geringfügig variiert (LOD). Durch Präzession und Nutationen verändert sich ebenfalls die Position des Erdrotationspols mit Bezug auf den himmelsfesten Referenzrahmen.
Üblicherweise werden durch die VLBI natürliche extragalaktische Radioquellen (aktive galaktische Kerne AGN), wie zum Beispiel Quasare (Abb. 4), aktive Radiogalaxien, und BL Lac Objekte beobachtet. Mit demselben Instrumentarium können aber auch Sterne, so-genannte Radiosterne, und künstliche Radioquellen beobachtet werden, wodurch die Beobachtung von Satelliten oder Raumsonden ermöglicht wird. Hierfür müssen im Vergleich zur geodätischen VLBI die technischen Voraussetzungen erfüllt und die theoretischen Auswertemodelle angepasst werden. Das Verfahren der differentiellen VLBI (D-VLBI), bekannt als „phase-referencing“, ist für solche Anwendungen auch von besonderem Interesse.
Neben der Navigation von Raumsonden und der Berechnung der Ephemeriden können derartige Beobachtungen für die Orbitbestimmung von Erdsatelliten und die Verknüpfung verschiedener Referenzrahmen und unterschiedlicher geodätischer Beobachtungstechniken eingesetzt werden. Die Kombination und VLBI Gruppe am GFZ untersucht schwerpunktmäßig diese u.a. Anwendungen wobei die Verbindung zwischen den Referenzrahmen von VLBI und Gaia (astrometrische Satellitenmission der ESA) und von GNSS (Global Navigation Satellite Systems, Abb. 5) von besonderem Interesse ist.
Links
Mitglieder der Kombination und VLBI Arbeitsgruppe
Mitglieder (in alphabetischer Reihenfolge):
- Georg Beyerle (Dr.), Softwareentwicklung für die geodätische/astrometrische VLBI-Datenanalyse
- Sujata Dhar (Doktorandin), DFG Projekt „AGORA“, Prädiktion von Erdorientierungsparametern, Simulationen, Kombination von VLBI und GNSS
- Robert Heinkelmann (Dr.), Leiter der Kombination und VLBI Arbeitsgruppe, Repräsentant des GFZ IVS Analysezentrums, globale Referenzrahmen, Bestimmung und Validierung der Erdorientierungsparameter, troposphärische und ionosphärische Parameter
- Shrishail Subash Raut(Doktorand), DFG-Projekt “NextGNSS4GGOS”
- Patrick Schreiner (Doktorand), DFG-Projekt “NextGNSS4GGOS”
- Vishwa Vijay Singh (Dr.), DFG-Projekt “AGORA”
- Jungang Wang (Dr.), DFG RU “Clock metrology”
MSc Studenten (in alphabetischer Reihenfolge):
- Shashank Pathak (TU Berlin, Master of Space Engineering MSE)
- Partist Poopat (TU Berlin, Geodesy and Geoinformation Science)
- Edgar Tamarian (TU Berlin, Geodesy and Geoinformation Science)
Aktuelle Forschungsarbeiten
- AGORA: Verknüpfung von Gaia optischen mit Radioreferenzrahmen
- GNSS-Konstellationen der nächsten Generation für GGOS-konforme geodätische Lösungen (NextGNSS4GGOS)
- Kombination geodätischer Weltraumverfahren mit Clock Ties und Atmospheric Ties (COCAT)
- IAG / IAU / IERS Joint Working Group on the Consistent Realization of CRF, TRF, and EOP (CRCTE)
- IERS 2nd EOP Prediction Comparison Campaign
- Genesis Arbeitsgruppe
PORT: Potsdam Open-source Radio interferometry Tool
PORT (Potsdam Open-source Radio interferometry Tool) is a software package dedicated to the analysis of modern and historical very long baseline interferometry observations (VLBI). PORT is being developed at GFZ Potsdam and is utilized to perform the GFZ VLBI Analysis Center responsibilities, as well as state-of-the-art research in the field of space geodesy, geophysics, and astrometry. PORT can estimate quantities such as station positions, quasar positions, Earth orientation parameters, atmospheric delay parameters, either employing weighted least-squares or a Kalman filter and smoother. PORT is designed to process VGOS observations, as well as traditional S-/X-band and single-band observations, regardless of data length; PORT processes both Intensive and multi-hour/day sessions. Developing PORT, special care has been taken to deal with issues such as the source structure. PORT abides by the latest analysis standards suggested by the IERS (International Earth Rotation and Reference Systems Service) and the IVS (International VLBI Service for Geodesy and Astrometry), and is ITRF2020-ready.
PORT is written mainly in MATLAB, with some Python modules, and is maintained on a Git server. VLBI data analysis employing PORT may be carried by scripting or interactively via a graphical user interface.
Upon completion, PORT will be able to schedule, simulate, and analyze VLBI observations, as well as to utilize VLBI observations to derive consistent terrestrial and celestial reference frames.
For more information about PORT, please visit https://git.gfz-potsdam.de/vlbi-data-analysis/port
If you need additional information, please contact Georg Beyerle.
Schuh et al.: The Potsdam Open Source Radio Interferometry Tool (PORT), Publications of the Astronomical Society of the Pacific, 133:104503 (13pp), 2021, https://doi.org/10.1088/1538-3873/ac299c
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