Geomaterialforschung mit Synchrotronstrahlung
Die Verfügbarkeit von Synchrotronstrahlung eröffnet den Geowissenschaften neue experimentelle Möglichkeiten, indem Einschränkungen bezüglich der Nachweisgrenzen und Ortsauflösung überwunden werden können. Unsere Gruppe nutzt die Synchrotronstrahlung über einen weiten Energiebereich, von harter Röntgenstrahlung bis in den Infrarotbereich, hauptsächlich für die Durchführung von in-situ Hochdruckexperimenten mit Diamantstempelzellen.
Röntgendiffraktometrie
Moderne Synchrotronquellen der dritten Generation (z. B. PETRA III in Hamburg), die Röntgenstrahlung von sehr hoher Brillanz liefern, erlauben das Kompressionsverhalten von Geomaterialien bis zu Drücken des tiefen Erdinneren zu bestimmen. Wir untersuchen die Druck-Volumen Zustandsgleichung des Hercynits (FeAlO4), das Eisen-Endglied von peridotitischem Spinell sowie der 3.65 Å-Phase, MgSi(OH)6, das ein Zerfallsprodukt der 10 Å-Phase und ein möglicher Kandidat für den Wasserstofftransport in den tiefen Mantel durch Subduktion ist. Darüber hinaus untersuchen wir die Synthese und Eigenschaften neuer Materialien mit Mg-Fe-N und Si-Ge-Zusammensetzung.
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Dr. Sergio Speziale
Dr. Hans Josef Reichmann
Beispiele für in-situ-Röntgendiffraktometrie in Kombination mit einer Multi-Anvil-Presse
Der Coesit-Stishovit-Übergang von wasser- und Al-haltigem SiO2
Die P-T-Bedingungen des Übergangs der SiO2-Polymorphe Coesit (Coe) - Stishovit (Sti) wurden in zahlreichen experimentellen Studien im reinen SiO2-System untersucht (z. B. Ono et al., 2017). Coe und Sti können jedoch durch verschiedene Substitutionsmechanismen erhebliche Mengen an Al und H in ihre Strukturen einbauen. In diesem Projekt untersuchen wir den Einfluss von Al2O3 und H2O auf die Lage des Coe-Sti-Übergangs bei P und T unter Verwendung der Multi-Anvil-Presse am Synchrotron PETRA III, Hamburg, in Kombination mit in situ Röntgenbeugungsmessungen. Als Ausgangsmaterial verwenden wir 100 % Sti, das vor unseren Gleichgewichtsexperimenten in situ bei 9 GPa und 900 °C aus einer Mischung von amorphem SiO2 plus 1 Gew.-% γ-Al2O3 plus 10 Gew.-% H2O (gefüllt in röntgentransparente Titankapseln) gebildet wurde.
Unsere vorläufigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Übergang im Vergleich zum reinen SiO2-System zu niedrigeren Drücken verschoben ist (Ono et al. 2017). Dies stimmt mit den Ergebnissen von Bolfan-Casanova et al. (2009) für den Stishovit-Post-Stishovit-Übergang überein, die eine Verschiebung des Übergangsdrucks von 80 GPa auf 30 GPa bei 2500 K durch den Einbau von 3 Gew.-% Al2O3 in Stishovit beobachteten.
Bolfan-Casanova, N., Andrault, D., Amiguet, E., and Guignot, N.: Equation of state and post-stishovite transformation of Al-bearing silica up to 100 GPa and 3000 K, Phys. Earth Planet. Inter., 174 (1-4), 70-77, https://doi.org/10.1016/j.pepi.2008.06.024, 2009.
Ono, S., Kikegawa, T., Higo, Y., and Tange, Y.: Precise determination of the phase boundary between coesite and stishovite in SiO2, Phys. Earth Planet. Inter., 264, 1-6, http://dx.doi.org/10.1016/j.pepi.2017.01.003, 2017.
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Prof. Monika Koch-Müller
Dr. Christian Lathe
Dr. Bernd Wunder
Partner
Dr. Robert Farla, Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, PETRA III Extension
Zerfall von Lawsonit in Granat, Kyanit, Coesit und H2O: Kinetik, Reaktionsmechanismus, P/T-Stabilität
Lawsonit (CaAl2Si2O7(OH)2-H2O) ist ein wichtiges gesteinsbildendes Mineral mit 11,5 Gew.-% H2O in seiner Kristallstruktur. Es kommt in Blauschiefern und Eklogiten vor, weshalb seine Entwässerung eine wichtige Rolle während Subduktionsprozessen spielt. Die wichtigste Entwässerungssreaktion von Lawsonit ist seine Zersetzung zu Granat, Kyanit, Coesit und H2O im Druck-/Temperaturbereichen 4 - 8 GPa/800 - 1000°C. Der Ort der Reaktion im P/T-Raum ist jedoch aufgrund des begrenzten Datenmaterials in diesem Bereich nicht gut eingegrenzt. Ziel dieser Studie ist es daher, diese Wissenslücken durch die Durchführung von HP/HT-Experimenten mit der Multi-Anvil-Presse am Synchrotron PETRA III, Hamburg, in Kombination mit in situ Röntgenbeugungsmessungen zu schließen. Ausgangsmaterial ist sehr reiner natürlicher Lawsonit, der mit Wasser im Überschuss in röntgentransparente Ti-Kapseln gefüllt wird.
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Prof. Monika Koch-Müller
Dr. Christian Lathe
Partner
Dr. Melanie Sieber, Universität Potsdam
Dr. Robert Farla, Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, PETRA III Extension
Röntgenfluoreszenz
Röntgenfluoreszenz (XRF) ist die Emission von charakteristischer „sekundärer“ (oder Fluoreszenz-) Röntgenstrahlung von Materie, die mit Röntgenstrahlung angeregt wurde. Dieses Phänomen findet weite Verbreitung für die Element- und chemische Analyse. Aufgrund der hohen Eindringtiefe von harter Röntgenstrahlung, kann XRF auch zur Bestimmung von Elementkonzentrationen in komplizierten Probenumgebungen benutzt werden, wie z. B. Druckzellen. Die hohe Brillanz der Synchrotronstrahlung verbessert sowohl die Empfindlichkeit als auch die Ortsauflösung beträchtlich und erlaubt sogar die Analyse von Spurenelementen in Proben, die nicht auf Raumtemperatur abgeschreckt werden können, wie z. B. wässrige Lösungen.
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Dr. Christian Schmidt
Partner
Prof. Dr. Max Wilke, Universität Potsdam
Röntgenabsorptionsspektroskopie (XANES/EXAFS)
Röntgenabsorptionsspektroskopie nutzt Röntgenstrahlen, um die physikalische und chemische Struktur auf der atomaren Skala zu untersuchen. Röntgenabsorptionsspektroskopie ist elementspezifisch, d. h., die Röntgenstrahlung so wird so gewählt, dass sie der Bindungsenergie eines Kernelektrons eines bestimmten Elementes entspricht. Da die Kernelektronen der meisten Elemente Bindungsenergien im Bereich von Röntgenstrahlung haben, können im Prinzip alle Elemente, bis auf die leichtesten, mit dieser Methode untersucht werden. Die Feinstruktur, die bei der Röntgenabsorptionsspektroskopie beobachtet wird, kann auf die Wechselwirkung des Photoelektrons mit unbesetzten elektronischen Zuständen des absorbierenden Elementes oder auf Rückstreuung von den Nachbaratomen zurückgeführt werden. Die Feinstruktur ist in zwei Bereiche aufgeteilt: XANES, X-ray Absorption Near Edge Structure: Feinstruktur die in der Nähe der Bindungsenergie beobachtet wird und mit Anregung des Photoelektrons in lokalisierte Zustände oder durch multiple Rückstreuung des Photoelektrons von den Nachbaratomen erklärt wird. Der XANES Bereich ist sensitiv für Oxidationszustand, Koordination und Platzsymmetrie des absorbierenden Elementes. EXAFS, Extended X-ray Absorption Fine Structure: Feinstruktur bei Energien weit über der Bindungsenergie, welche durch einfache Rückstreuung des Photoelektrons durch Nachbaratome erklärt wird. Die Analyse erlaubt die Bestimmung der Anzahl der Nachbarn und deren Abstände zum absorbierenden Element in kristallinen und nichtkristallinen Proben. XANES und EXAFS können bei hohen und niedrigen Elementkonzentrationen angewendet werden. Aufgrund der hohen Endringtiefe von harter Röntgenstrahlung können Messungen unter in-situ Bedingungen mit komplexen Probenumgebungen durchgeführt werden, wie z. B. Druckzellen oder Reaktionszellen, zumindest für Absorptionskanten mit Energien größer als ca. 6 keV.
Röntgen-Raman Streuung (XRS)
Röntgen-Raman Streuung (XRS) ist ein inelastischer Röntgenstreuungsprozess, bei dem ein Hochenergieröntgenphoton Energie an ein Kernelektron abgibt und dieses in einen unbesetzten Zustand anregt. Der Prozess ist im Prinzip analog zur Röntgenabsorption, jedoch übernimmt der Energietransfer die Rolle der Röntgenphotonenenergie in der Röntgenabsorption. Da die Energie der anregenden Strahlung im harten Röntgenbereich gewählt werden kann, werden viele Einschränkungen für weiche Röntgenstrahlung umgangen, wie z.B. die Notwendigkeit von Vakuum, welche verhindert, Proben zu untersuchen, die im Vakuum nicht stabil sind, z. B. Flüssigkeiten. Eine der vielversprechendsten Anwendungen von XRS ist die Untersuchung von Absorptionskanten leichter Elemente bei hohen Drücken. Die angewendeten harten Röntgenstrahlen können die Druckzelle ohne weiteres passieren und die Probe innerhalb der Zelle anregen.