Das Erdmagnetfeld
Das Studium des Erdmagnetfelds ist eines der ältesten Gebiete der Geowissenschaften. Beobachtungen wurden bereits in historischen Zeiten durchgeführt, und die berühmte "Epistola de Magnete", die 1269 von Petrus Peregrinus geschrieben wurde, kann als das erste wissenschaftliche Werk, das je geschrieben wurde, angesehen werden. Große Mengen an Beobachtungen wurden während des zweiten Jahrtausends angestellt, sowohl für wissenschaftliche, als auch für praktische Zwecke (Navigation). Die fundamentale Theorie war bereits 1840 von Gauss entwickelt worden. Heute dienen Messungen des Erdmagnetfelds mehr der Beantwortung fundamentaler Fragen über das tiefe Innere der Erde und ihre Umgebung im nahen Weltraum als der praktischen Navigation.
Die Abweichungen des Erdmagnetfelds von einem Dipol sind an der Erdoberfläche sehr deutlich und seit 300 Jahren bekannt. Magnetfeldstrukturen mit Ausdehnungen von mehreren tausend Kilometern stammen überwiegend vom Kern- oder Hauptfeld. Dieses weist an der Erdoberfläche eine Stärke von 20000 bis 70000nT auf und ensteht durch einen hydrodynamischen Dynamo im flüssigen äußeren Erdkern. Das Hauptfeld und seine zeitliche Variation, die als Säkularvariation bezeichnet wird, können dazu genutzt werden, Informationen über den Erdkern zu gewinnen, Modelle der Strömungen am äußeren Rand des Kerns zu konstruieren, Wechselwirkungen zwischen Erdkern und Mantel zu untersuchen oder Auswirkungen von Änderungen in Kernströmungen auf die Erdrotation abzuschätzen.
Kleinräumige Magnetfeldanteile stammen überwiegend von magnetisierten Gesteinen und werden als Lithosphärenfeld oder Krustenfeld bezeichnet. Gut bekannte, besonders starke und großräuminge Anomalien liegen z.B. bei Kursk und Bangui und erreichen Amplituden von mehreren hundert nT. In den Ozeanen finden sich Streifenmuster von Anomalien, die während der Entstehung neuen Ozeanbodens an mittelozeanischen Rücken ("sea-floor spreading") entstehen und eine grundlegende Rolle bei der Entwicklung der Theorie der Plattentektonik spielten.
Ein dritter Anteil des Erdmagnetfelds entsteht außerhalb der Erde durch schnell varrierende elektrische Stromsysteme in der Ionosphäre und Magnetosphäre, die von Sonnenaktivität und Sonneneinstrahlung beeinflusst werden. Während ruhiger Zeiten liegen die Amplituden dieser externen Feldanteile in mittleren Breiten in der Größenordnung von 20nT, können während magnetischer Stürme aber auf mehr als das Zehnfache ansteigen. Die genaue Kenntnis der Magnetfeldverteilung in der Nähe der Erde ist wichtig für Studien und Vorhersagen des Weltraumwetters ("space weather").
Systematische weltweite Beobachtungen des Erdmagnetfelds werden seit mehr als hundert Jahren an geomagnetischen Observatorien durchgeführt und lieferen Informationen über die Feldverteilung und seine zeitliche Entwicklung. Ein Beispiel ist unser Adolf-Schmidt-Observatorium für Geomagnetismus in Niemegk, von welchem aus weitere, weltweit verteilte Observatorien in Kooperation mit internationalen Partnern betrieben oder unterstützt werden. Magnetische Säkularpunktvermessungen werden regelmäßig an bestimmten Punkten durchgeführt, um das Magnetfeld in bestimmten Regionen genauer zu erfassen und die Säkularvariation im Detail zu untersuchen. Darüberhinaus tragen die Magnetfeldmessungen der Satellitenmissionen CHAMP (2000-2010) und Swarm (seit 2013) zu neuen Erkenntnissen und einem verbesserten Verständnis des Erdmagnetfelds weltweit bei.