Das Ausmaß und die möglichen Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels präzise einzuschätzen, gehört zu den weltweit bedeutendsten Herausforderungen der Menschheit. Um die Mechanismen des Klimawandels zu verstehen oder gar seine künftige Entwicklung vorherzusagen, ist es notwendig, die Umstände vergangener Veränderungen in der Klimageschichte der Erde zu kennen.
Die Auswirkungen vergangener Klimaveränderungen lassen sich besonders gut in Seesedimenten erkennen. Kontinuierliche Bohrkernsequenzen aus den Sedimenten am Seeboden sind eine Möglichkeit, um paläoklimatische Aufzeichnungen zu erhalten.
Im Jahr 2015 unterstützte das Internationale Kontinentale Wissenschaftliche Bohrprogramm (ICDP) eine wissenschaftliche Bohrkampagne zur Gewinnung und Untersuchung hoch aufgelöster Seesediment-Proben, um die Geschichte der kontinentalen glazial-interglazialen Zyklen des Junín-Sees in Peru zu rekonstruieren. Eine kürzlich in Nature veröffentlichte Studie berichtet nun über ausgewählte Daten des „Lake Junín Drilling Project“. Die Studie wurde unter der Leitung von Prof. Donald T. Rodbell vom Union College, USA, und unter Beteiligung von GFZ-Wissenschaftler:innen durchgeführt. Die Arbeiten zeigen, dass die tropischen Gletscher in den vergangenen 700.000 Jahren dem Rhythmus der Eisschilde der nördlichen Hemisphäre folgten und verdeutlichen damit die dauerhaften, vielschichtigen und schnell wirkenden Klimaverbindungen zwischen den hohen und niedrige geographischen Breiten.
Untersuchungsgebiet
Das Untersuchungsgebiet, der See Junín (Peru, 11,03°S, 76,11°W), ist ein 300 km2 großes, halbgeschlossenes Becken in 4085 m Höhe in den tropischen Anden von Peru. Der Junín-See ist für Bohrungen deshalb so geeignet, weil er eine mehr als 125 m dicke Sedimentschicht enthält und die Sedimente sich mit hoher Geschwindigkeit ablagern (0,2 bis 1,0 mm pro Jahr). Er ist einer der wenigen Seen in den tropischen Anden, die vor der maximalen Vergletscherung entstanden sind, und er befindet sich geomorphologisch in einer Lage, die es möglich macht, das Wachsen und Schwinden der Gletscher in den nahe gelegenen Anden zu erfassen. Dies macht den See zu einem Schlüsselstandort für die Untersuchung der quartären Klimaentwicklung in den inneren Tropen der südlichen Hemisphäre.
Die nun veröffentlichte Studie liefert das erste unabhängig datierte und kontinuierliche Archiv der tropischen Vergletscherung, welche zahlreiche Glazial-Interglazial-Zyklen umfasst. Um die Interpretation zu verbessern und so die regionale Bedeutung der jetzt veröffentlichten Interpretationen zu unterstützen, wurden auch bereits veröffentliche Daten von Mineralablagerungen aus Höhlen in der Region in den neuen Datensatz integriert. Im Ergebnis handelt es sich um eine bahnbrechende Aufzeichnung der tropischen Vergletscherung und der interhemisphärischen Klimaverbindungen.
Ergebnisse
Die Autor:innen zeigen die Sensitivität der tropischen Anden und des angrenzenden Amazonasbeckens gegenüber klimatischen Veränderungen in einer weit entfernten Region der hohen Breiten auf. Ihre Ergebnisse sind relevant angesichts der aktuellen Beobachtungen (i) einer beschleunigten Erwärmung der Arktis, die in den letzten drei Jahrzehnten noch ausgeprägter ist und zu einem raschen Verlust des Meereises führt, (ii) von Veränderungen in der atlantischen Tiefenwasserbildung aufgrund des höheren Temperaturgradienten, die zu verringerten Niederschlägen und erhöhter Verdunstung in den tropischen Anden führen, und (iii) der fortschreitenden Abholzung und Dürre im Amazonasgebiet, die das Gebiet wärmer und trockener machen, was zu verringerten Niederschlägen und zum Austrocknen des Grundwassers führt.
GFZ-Wissenschaftler messen im Innern des Bohrlochs
Die Rekonstruktion einer tatsächlich kontinuierlichen Klimaaufzeichnung, wie sie in dieser Arbeit vorgestellt wird, hängt von der Vollständigkeit der Bohrkernsequenz ab. Der Nachweis, dass die Bohrkerne vollständig sind und keine Lücken aufweisen, ist von entscheidender Bedeutung.
Daher hat das GFZ-Wissenschaftsteam mehrere Messungen innerhalb des Bohrlochs, das so genannte Downhole Logging, durchgeführt, nicht aber am Bohrkern. Lücken in der Sequenz können dann durch den Vergleich der an den Bohrkernstücken gemessenen magnetischen Suszeptibilität mit der im Bohrloch gemessenen kontinuierlichen Kurve identifiziert werden, ein Prozess, der Tiefenabgleich genannt wird. Sofern Lücken festgestellt wurden, wurde an derselben Stelle nur wenige Meter entfernt ein weiteres Loch gebohrt, um den fehlenden Abschnitt des ersten Bohrkernloches zu erhalten.
Darüber hinaus lieferten die GFZ-Bohrlochmessungen weitere kontinuierliche, in-situ gemessene und sehr tiefenverlässliche Daten verschiedener physikalischer, chemischer und struktureller Parameter der erbohrten Sedimente. Die Ergebnisse der Auswertung dieser Daten werden demnächst veröffentlicht.
Originalpublikation:
Rodbell, D.T., Hatfield, R.G., Abbott, M.B., Chen, C.Y., Woods, A., Stoner, J.S., McGee, D., Tapia, P.M., Bush, M., Valero-Garcés, B.L., Mark, S. Z., Weidhaas, N.C., Hillman, L., Larsen, D. J., Delgado, G., Katz, S. A., Solada, K. E., Morey, A.E., Finkenbinder, M., Valencia, B., Rozas-Davila, A., Wattrus, N., Colman, S.M., Bustamante, M.G., Kück, J., Pierdominici, S.: 700,000 years of Tropical Andean Glaciation. Nature (2022), https://doi.org/10.1038/s41586-022-04873-0