Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Deutschlands tiefster Punkt feierte Jubiläum

Im Oktober 1994 erreichte die Bohrung für das tiefste Loch der Bundesrepublik ihren Endstand in mehr als 9 km Tiefe. Vor Ort in Windischeschenbach gab es einen Festakt mit Tag der offenen Tür.

30 Jahre KTB – Ein Anlass zu feiern

Vor dreißig Jahren, am 12. Oktober 1994, erreichte die tiefste Bohrung Deutschlands nahe dem bayrischen Ort Windischeschenbach mit 9101 Metern unter der Oberfläche ihre Endteufe – nach 1468 Bohrtagen. Es war der Höhepunkt des Kontinentalen Tiefbohrprogramms der Bundesrepublik Deutschland (KTB). Das erste deutsche Großprojekt der geowissenschaftlichen Grundlagenforschung hatte 1987 begonnen und endete 1995. Sein Ziel war die direkte Erforschung der kontinentalen Erdkruste mit einer noch nie dagewesenen Genauigkeit.

Eine der wissenschaftspolitischen Folgen des KTB-Programms war die Gründung des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) im Jahr 1992. Aus dem KTB-Programm entwickelte sich auch das 1996 gegründete Internationale Kontinentale Land-Bohrprogramm ICDP (International Continental Scientific Drilling Program), dessen Geschäftsstelle am GFZ angesiedelt ist. Noch heute bieten die neun Kilometer tiefe Hauptbohrung und die vier Kilometer tiefe benachbarte Vorbohrung ein einzigartiges Tiefenlabor, das vom GFZ für Forschungszwecke beispielsweise zu Fragen der Geothermie genutzt wird.

Der 83 Meter hohe Bohrturm ist noch immer ein weit ins Land sichtbares Monument. Das GEO-Zentrum auf dem Gelände informiert als Bildungs- und Begegnungsstätte allgemeinverständlich über die Geowissenschaften.

Festakt und Tag der offenen Tür

Dort wurden am Freitag, 18. Oktober, gleich drei Jubiläen gefeiert: die 30 Jahre Endteufe KTB, 20 Jahre Stiftung GEO-Zentrum und 20 Jahre Schülerlabor GEO-Labor. Zu den zahlreichen Gästen aus Politik und Wissenschaft gehörte auch eine Delegation des GFZ unter der Leitung der Wissenschaftlichen Vorständin, Prof. Susanne Buiter, die einen der Festvorträge hielt. Darin blickte sie auf die weit in die Zukunft reichenden Errungenschaften der einzigartigen Bohrung zurück. Mit dabei war auch der diesjährige Preisträger der Rolf-Emmermann-Medaille des GFZ, Prof. Mark Zoback von der Stanford University, USA, ein Pionier des Wissenschaftlichen Bohrens.

Im Anschluss an die Festveranstaltung kamen mehr als 400 Interessierte zum Tag der offenen Tür, auf dem sich neben dem GEO-Zentrum inklusive Bohrturm und regionalen (Forschungs-) Einrichtungen auch das GFZ und ICDP präsentierten.

Einige Impressionen sind im Slider oben zusammengestellt.

Forschungsbohrungen sind unser Teleskop in die Erde

Bohrungen liefern nicht nur direkte Einblicke in die obersten Schichten der Erde und ihre Eigenschaften. Ohne Proben direkt aus der Tiefe und Messungen untertage sind zentrale Fragen der Geowissenschaften nicht lösbar: die Entstehung von Erdbeben und Vulkanausbrüchen; der Ablauf von Klima- und Umweltänderungen über viele Jahrtausende, eingeprägt in Gesteinsschichten, die heute tief in der Erde liegen; die Entstehung und Gewinnung von Georessourcen für eine nachhaltige Energieversorgung wie Geothermie und Rohstoffe; oder die Entstehung der Kontinente und des Lebens.

KTB – Rekorde und Innovationen

Ziel des Kontinentalen Tiefbohrprogramms KTB der Bundesrepublik Deutschland war die direkte Erforschung der kontinentalen Erdkruste – ihrer physikalischen und chemischen Gesteinseigenschaften, Temperaturen und Spannungen – mit einer noch nie dagewesenen Genauigkeit.

Hierfür wurden viele innovative Bohr- und Monitoringtechnologien, wissenschaftliche Methoden und Patente entwickelt und erprobt, die heute als Standard bei Forschungs- und Erkundungsbohrungen dienen, zum Beispiel Richtbohrtechniken und die Automatisierung von Bohrgestänge.

Von der 4 Kilometer tiefen Vorbohrung wurde nahezu durchgängig ein Bohrkern genommen, eine wichtige Grundlage für die wissenschaftlichen Untersuchungen.

Die 9 Kilometer tiefe Hauptbohrung ist noch immer das tiefste wissenschaftlich zugängliche Bohrloch und einer der tiefsten vom Menschen geschaffenen Punkte unter der Erdoberfläche. Sie gilt als die Ultratiefbohrung mit der geringsten horizontalen Abweichung weltweit von weniger als 15 Metern im Bereich zwischen der Oberfläche und einer Tiefe von 7.500 Metern. Das war möglich dank eines extra hierfür entwickelten Bohrverfahrens, das aktiv gegengesteuert hat.

Mit zunehmender Tiefe steigt die Temperatur und damit ändern sich die Materialeigenschaften der durchbohrten Gesteine: von sprödem Gestein, also hart und bröckelig, bis duktil, wie sehr zäh fließender Honig. Irgendwann ist es dann zu warm, um tiefer zu bohren. In 9.101 Metern Tiefe herrschten Temperaturen von um die 265 Grad Celsius.

Heute sind die beiden Bohrungen mit Formationsfluid und Wasser gefüllt. Unten in der Hauptbohrung ist eine abgerauschte Sonde, sodass geophysikalische Experimente nur bis zu einer Tiefe von 6,7 km möglich sind – immer noch eine beachtliche Tiefe.

Das KTB-Programm brachte neue, wegweisende wissenschaftliche Erkenntnisse, unter anderem

  • zu Geophysikalischen Strukturen und Phänomenen:
    Seismische Reflektoren, elektrische, magnetische und gravimetrische Anomalien; Kalibrierung von Methoden der Tiefensondierung
  • zum Spannungsfeld der Erde und dem Übergang von Sprödigkeit zu Duktilität:
    Ausrichtung und Höhe der mechanischen Spannung in Abhängigkeit von der Tiefe; Entstehung und Auslösung von Erdbeben
  • zur thermischen Struktur der Erdkruste:
    Temperaturverteilung, Wärmefluss, Wärmeproduktion; geothermische Energie
  • zu Fluid- und Transportprozessen:
    Fluidquellen, Fluidpfade und Haushalt; Vorkommen und Verteilung von Mineralvorkommen
  • zur Struktur und Entwicklung in der paläozoischen Kruste Mitteleuropas:
    Merkmale, Deformationsmechanismus und Dynamik einer reaktivierten Kruste

Folge des KTB: Gründung von GFZ und ICDP

Um die geowissenschaftlichen und technologischen Kompetenzen aus so einem Großprojekt zu behalten und weiterzuentwickeln und sie der (wissenschaftlichen) Gemeinschaft weiter zugänglich machen, wurde 1992 das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ gegründet. Es entstand in Potsdam auf dem Telegrafenberg, am Standort des ehemaligen Zentralinstituts für die Physik der Erde (ZIPE) der DDR, das eine weitere Keimzelle war und von dem viele Beschäftigte und Know-how übernommen wurden.

1996 folgte die Gründung des Internationalen Kontinentalen Land-Bohrprogramms ICDP mit Geschäftsstelle am GFZ. Als internationale Organisation fördert und unterstützt ICDP Geowissenschaften im Bereich von wissenschaftlichen Kontinentalbohrungen finanziell und technisch-wissenschaftlich mit Geräten und Know-how. Dem ICDP gehören aktuell 23 Staaten an. Die Steuerungsgruppe („Operational Support Group“) ist in der GFZ-Sektion 4.2 „Geomechanik und Wissenschaftliches Bohren“ angesiedelt.


Mehr Informationen zum Wissenschaftlichen Bohren finden Sie auf den Fokus-Seiten des GFZ dazu und (in englischer Sprache) auf den Seiten des ICDP.

Weitere Informationen über das KTB finden sie auf den Webseiten des GEO-Zentrums.

Ein Bericht über das Jubiläum im Bayerischen Lokalsender Oberpfalz tv (otv).

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