Prof. Dr. Dr. h.c. Harald Schuh ist Ende letzten Jahres nach zwölf Jahren Tätigkeit am GFZ in den Ruhestand getreten. Am 21. und 22. Februar wurde er als Direktor von Departement 1 Geodäsie mit einem internationalen wissenschaftlichen Kolloquium am GFZ geehrt und verabschiedet.
Kolloquium und Verabschiedung
Kolleg:innen und ehemalige Doktorand:innen von Harald Schuh, viele heute selbst mit einer Professur, haben in fachlichen Vorträgen einen Einblick in die Entwicklung und zahlreichen Errungenschaften, sowie in aktuelle und künftige Fragestellungen der Geodäsie – der Vermessung der Erde in Raum und Zeit – gegeben, und so auch die wissenschaftlichen Verdienste der langen und erfolgreichen Karriere von Harald Schuh gewürdigt.
Das Themenspektrum reichte von zukünftigen Entwicklungen und Kombinationsstrategien weltraumgeodätischer Techniken und den Beiträgen der Techniken zu Urban Mobility und Umweltmonitoring sowie den Einflüssen und der Modellierung der Ionosphäre über die Bedeutung der GFZ-Satellitenmissionen zur Beobachtung des Schwerefelds der Erde aus dem All – von GFZ-1 bis GRACE-C – bis zur Rolle von Smartphone und KI bei der Vermessung der Welt.
Grußwort der Wissenschaftlichen Vorständin des GFZ, Susanne Buiter
In ihrem Grußwort gab die Wissenschaftliche Vorständin des GFZ, Susanne Buiter, Einblicke in die Historie der Geodäsie auf dem Potsdamer Telegrafenberg – von ihren Anfängen in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart.
Sie würdigt die Verdienste von Harald Schuh für das GFZ:
„Die vergangenen zwölf Jahre am GFZ waren von mehreren Highlights geprägt, zu denen Harald Schuh wesentlich beigetragen hat. Insbesondere die Satellitenstarts von GRACE-Follow On und EnMAP gehen auf die Arbeiten in seinem Department zurück.
Hinzu kommen Abertausende von wissenschaftlichen Publikationen, die auf Daten aus seinem Department zurückgehen, und die Dienste für die internationale Gemeinschaft von Forschenden, an denen das Department 1 maßgeblich mitwirkt, wie zum Beispiel der IGS International GNSS Service, der ILRS International Laser Ranging Service und IVS International VLBI Service for Geodesy and Astrometry.
Während seiner Zeit am GFZ hat Harald Schuh durchgängig als Departmentdirektor Verantwortung getragen und sich vom Strategieprozess bis zur Entfristungsregelung immer wieder aktiv für das Zentrum insgesamt eingesetzt. Wir sagen daher im Namen des GFZ Danke und wünschen alles Gute für die Zeit nach dem GFZ.“
Eine lange, erfolgreiche Karriere
Das Festkolloquium unterstrich die inhaltliche Breite von Harald Schuhs vierzigjähriger Arbeit und seine prägende Rolle in der Geodäsie sowie seine internationale Vernetzung und sein Engagement für den wissenschaftlichen Nachwuchs.
Harald Schuhs wissenschaftliche Heimat ist die Radiointerferenzmessung mit langen Basislinien (VLBI, „Very Long Baseline Interferometry“), eine Methode der Radioastronomie, um die er sich besonders verdient gemacht hat. Er startete seine wissenschaftliche Karriere 1986 mit einer Promotion zu diesem Thema an der Universität Bonn, wo er anschließend auch eine Position als Assoziierter Professor hatte. Nach Tätigkeiten am Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) in Köln sowie am damaligen Akademieinstitut Deutsches Geodätisches Forschungsinstitut DGFI in München war er seit 2000 Professor und seit 2003 Direktor des Instituts für Geodäsie und Geophysik an der TU Wien.
2012 kam Harald Schuh als Direktor für das Department 1 „Geodäsie“ an das GFZ und übernahm an der TU Berlin in einer gemeinsamen Berufung die Professur für Satellitengeodäsie. Gleichzeitig leitete er die Sektion 1.1 „Geodätische Weltraumverfahren“, eine der größten Sektionen am GFZ. Hier hat er sich mit der Gründung der VLBI-Arbeitsgruppe besonders verdient gemacht, sie ist weltweit eine der größten Forschungsgruppen zu VLBI. Hervorzuheben sind Arbeiten zur Modellierung der atmosphärischen Effekte und zur Erdrotation. Harald Schuh initiierte vielfältige nationale und internationale Projekte, unter anderem zu neuen Beobachtungskonzepten mit Transpondern auf Satelliten und im Mondorbit, und er war an verschiedenen Missionsstudien beteiligt.
Neue Ansätze zur Kombination geodätischer Weltraumverfahren – beispielsweise im Rahmen des Projekts „GGOS-SIM“ und der DFG-Forschungsgruppe „Clock Metrology“ – wurden unter Harald Schuhs Leitung ebenso studiert wie Konzepte für zukünftige Navigationssatellitensysteme, etwa im Projekt „Advantage“. Auf internationaler Ebene trieb Harald Schuh die globale Initiative voran, die im Februar 2015 zur Annahme der UN-Resolution für den Raumbezug – „A Global Geodetic Reference Frame for Sustainable Development“ führte.
Für seine Arbeiten wurde Harald Schuh vielfach ausgezeichnet. So erhielt er 2003 den Descartes-Preis der Europäischen Union, wurde 2007 zum „Fellow of the International Association of Geodesy“ (IAG) ernannt und erhielt 2011 die Vening Meinesz Medal der European Geosciences Union (EGU). 2009 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der University of Architecture, Civil Engineering, and Geodesy (UACEG), Sofia, Bulgarien verliehen und 2017 wurde er zum Mitglied von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften gewählt. 2022 zeichnete ihn die Sektion Geodäsie der American Geophysical Union (AGU) mit dem „Ivan I. Mueller Award for Distinguished Service and Leadership“ aus.
Ein wichtiges Anliegen war für Harald Schuh stets die Betreuung von Nachwuchswissenschaftler:innen. Allein am GFZ betreute er 28 Doktorarbeiten (mit). Viele seiner Doktorand:innen erhielten höchste Auszeichnungen.
Harald Schuh hat sich auch in zahlreichen wissenschaftlichen Gremien engagiert: Seit 2020 ist er Vorsitzender der Deutschen Geodätischen Kommission (DGK), bei der er seit 2012 Mitglied ist. Außerdem war er, um nur einige Beispiele zu nennen, Präsident der Österreichischen Geodätischen Kommission (2008-2013), Mitglied des Exekutivausschusses der Internationalen Union für Geodäsie und Geophysik (2015-2019) und Mitglied des “Helmholtz Think Tank“ (2016-2020).