Die brasilianische Küstenstadt Maceió mit mehr als einer Million Einwohner:innen im Bundesstaat Alagoas ist durch Bodenabsenkungen schwer beschädigt worden. Insbesondere im Stadtviertel Pinheiro sind Häuser vielerorts nicht mehr bewohnbar, versetzte Hauswände und Risse an Gebäuden und Gehwegen sichtbar. Es sind die Folgen von zunächst unbemerkt ablaufenden Prozessen, durch die sich der Boden nach und nach absenkt. Diese so genannte Subsidenz gibt es in vielen Städten der Welt, ihre Ursachen sind jedoch oft nicht ausreichend erforscht.
Der Verlauf der Subsidenz in Maceió für die letzten 16 Jahre wurde nun von Wissenschaftler:innen des Deutschen GeoForschungsZentrums mit Hilfe von Satellitendaten untersucht. Magdalena Stefanova Vassileva, Djamil Al-Halbouni, Mahdi Motagh, Thomas R. Walter, Torsten Dahm und Hans-Ulrich Wetzel (ⴕ) wollten unter anderem ermitteln, wann die Bodenabsenkungen in der Region begannen, wie sich die Instabilitäten entwickelten und räumlich und zeitlich auf die Region auswirkten. Ihre Untersuchung liefert auch einen guten Überblick darüber, wo sich die Quelle der Senkungen befindet. Die wissenschaftliche Arbeit „A decade-long silent ground subsidence hazard culminating in a metropolitan disaster in Maceió, Brazil” ist im Open Access-Journal „Scientific Reports“ erschienen.
Ursachen von Subsidenz
Vor allem Städte, die in Flussdeltas oder im Küstenflachland liegen, sind aufgrund ihrer Bodenstruktur von Subsidenz betroffen. Grundsätzlich gilt: Wenn sich, u.a. durch menschliche Eingriffe, die Druckverhältnisse im Untergrund ändern, kann sich der Boden mancherorts fast unbemerkt absenken. In extremen Fällen, wie z.B. in Jakarta in Indonesien oder Teheran im Iran, werden stellenweise bis zu 30 cm pro Jahr erreicht. Das kann unterschiedliche Gründe haben.
Eine der hauptsächlichen Ursachen ist die Entnahme von Grundwasser. Auch trennende Effekte unterirdischer Bauten in grundwasserführenden Schichten können zu Bodenabsenkungen führen. Darüber hinaus kann die immense Auflast der Gebäude auf Böden drücken, sodass Wasser bei bestimmten Bodenverhältnissen, insbesondere in den nicht-verfestigten Böden von Küstengebieten, aus den Porenräumen verdrängt wird. So werden sie kompaktiert. Gleichermaßen kann das Aushöhlen des Untergrundes im Bergbau Absenkungen des Bodens zur Folge haben – das ist vermutlich die Ursache im Fall Maceiós.
Entwicklung der Subsidenz in Maceió
Die Millionenstadt Maceió liegt im Sergipe-Alagoas-Salzbecken, welches sich während des Südatlantischen Rifts entlang der brasilianischen Küste formte. Das dort vorkommende Evaporitgestein Halit (NaCl) ist in kontinentalen Regionen weit verbreitet. Dringt Süßwasser durch Halit-Schichten, löst es diese Gesteine schnell und formt Hohlräume. Für den Bergbau sind solche Gebiete interessant. Injiziert man nämlich Wasser durch Bohrungen in unterirdische Lagerstätten, löst sich das Salz. Die entstehende Sole wird zurück an die Oberfläche gepumpt und daraus Salz gewonnen.
Seit 1970 gab es in der Lagune Mundaú nahe Maceió insgesamt 35 solcher industrieller Soleförderbrunnen. Die Salzminen dort liegen in einer Tiefe zwischen 700 und 1000 m. Hohlräume, die durch die Steinsalzgewinnung entstanden, destabilisieren und mobilisieren das vorhandene Salzgestein (Halokinese).
An der Oberfläche haben sich die Brüche an Gebäuden, Gehwegen und Straßen seit Anfang 2018 vor allem im Stadtviertel Pinheiro (ca.10.500 Einwohner) verstärkt, insbesondere nach einem starken Regenereignis am 15. Februar 2018 und einem kleinen Erdbeben der Magnitude 2,4 am 3. März 2018. Auch die Stadtviertel Mutange und Bebedouro sind von den Bodenabsenkungen betroffen. Regenwasser dringt verstärkt in bestehende Bruch- bzw. Verwerfungszonen ein und erhöht auf diese Weise die sogenannte sekundäre Durchlässigkeit, was diese Böden wiederum anfälliger für Erosion macht und zur Instabilität beiträgt. Aufgrund der Auswirkungen der Bodenabsenkungen auf die Infrastrukturen wurde der Salzabbau Mitte 2019 eingestellt.
Bisher gibt es keine geodätischen Messungen, auf die sich die Stadtverwaltung stützen könnte, um das Ausmaß der Bodenabsenkungen zu quantifizieren. Ebenso gab es bis vor kurzem keine historischen und aktualisierten geodätischen Messungen, welche Aufschluss darüber geben könnten, wie gravierend die Probleme tatsächlich sind.
Die Forscher:innen haben nun eine große Vielfalt an Methoden genutzt. Zum Einsatz kam eine multi-temporale DInSAR-Analyse (Differentielle Radarinterferometrie, SBAS-Technik) unter Verwendung von Multi-Sensor-SAR-Daten vom Oktober 2003 bis März 2020. Geophysikalische Modellierungen halfen dabei, die Entwicklung der Quelle zu modellieren. Um die zugrundeliegende Ursache für das Senkungsmuster zu testen, haben die Wissenschaftler:innen geophysikalische 3D-Quelleninversion und geomechanische 2D-Simulationen (2D distinct element modelling) verwendet, mit welchen sich jeweils reale Salzhohlräume mit ihren Instabilitätsstadien und dazugehörigen Oberflächenverschiebungen simulieren lassen.
Ergebnis: Maximale Absenkung beträgt fast 2 Meter
Mit Hilfe der Satellitendaten konnten die Forscher:innen die Historie der Absenkungsprozesse gut nachvollziehen. Die Ergebnisse zeigen, dass diese bereits im Jahr 2004 und 2005 einsetzen. Seit 2018 hat sich die Absenkungsrate merkbar verstärkt und zwar auf bis zu 23-24 cm pro Jahr. Die maximal beobachtete kumulative Absenkung betrug 2 Meter (Stand Ende 2020) und die maximale Absenkungsrate wird auf 27 cm/Jahr geschätzt.
Auch eine horizontale Bodenbewegung hat stattgefunden und zwar von Ost nach West. Diese beziffern die Wissenschaftler auf 8 bis 9 cm pro Jahr. Geophysikalische Modelle zeigten eine horizontal stabile Quelle, eine aufwärts gerichtete Bruchausbreitung sowie eine deutliche Zunahme der Volumenänderung seit 2016/17.
Die ebenfalls eingesetzten geomechanischen Modelle zeigten eine gute Übereinstimmung der simulierten Senkungen mit den DInSAR-Messungen und weisen ebenso auf eine aufwärts gerichtete Bruchausbreitung hin, d.h. auf Risse, die sich nach oben in Richtung der flacheren Schichten ausbreiten.
Die umfangreichen Absenkungen stehen nachweisbar vor allem mit der Abtragung von lokalem, tiefliegendem Material an dem Ort und in der Tiefe, wo Salz abgebaut wurde, in Verbindung. Andere Erklärungen sind unwahrscheinlich. Basierend auf den geomechanischen Modellen wird im Falle eines vollständigen Kollapses der Hohlräume im Untergrund eine weitere Absenkung des Bodens um circa einen Meter erwartet. Mit Erdfällen an der Oberfläche ist laut Aussagen der Forschenden des GFZ dagegen nicht zu rechnen. Geologische Instabilitätsgefahrenkarten wurden erstellt.
Methodologisch lässt sich das Fazit ziehen, dass InSAR-Analysen ausgesprochen leistungsfähig sind, wenn es darum geht, geologische Instabilitäten zu erkennen und Subsidenz zeitlich zu überwachen, insbesondere in städtischen Gebieten.
Originalstudie: Vassileva, M., Al-Halbouni, D., Motagh, M. et al. A decade-long silent ground subsidence hazard culminating in a metropolitan disaster in Maceió, Brazil. Sci Rep 11, 7704 (2021). doi.org/10.1038/s41598-021-87033-0
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Prof. Dr. Mahdi Motagh
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M. Sc.-Ing. Magdalena Stefanova Vassileva
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