Das Deutsche GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) hat eine Taskforce gegründet und ein Team nach La Palma entsandt, um einen Beitrag zur schnellen Einschätzung der Vulkaneruptionen und Erdbeben auf der Insel zu liefern. Gemeinsam mit spanischen Institutionen untersuchen die Forschenden das Zusammenspiel der Eruption mit den Beben und Oberflächenverformungen. Sie nutzen dazu Messgeräte vor Ort ebenso wie Satellitenaufnahmen und die Infrastruktur und Software von GEOFON.
Nach fünfzig Jahren Ruhephase und einer drei Jahre andauernden seismisch aktiven Phase begann am 13. September 2021 eine neue Vulkaneruption am Cumbre Vieja auf der Insel La Palma. Mit Satellitenradar stellten die Forschenden des GFZ großräumige Verformungen fest, die auf einen Druckanstieg in der Tiefe hindeuten. Der Ausgangspunkt der Eruption lag an der mittleren Westflanke des vulkanischen Rückens von Cumbre Vieja, nur unweit nördlich der Eruption des Jahres 1949. Der Lavastrom ist inzwischen 6300 Meter lang, teils über 1000 Meter breit und an manchen Stellen 25 Meter mächtig, hat mehr als 600 Häuser und zahlreiche Straßen zerstört. Die Lava erreichte die Küste am 28. September 2021.
Der GFZ-Vulkanforscher Thomas Walter sagt: „Wie wir von unserem Team vor Ort hören, ist die Lage dort noch immer angespannt. Nicht nur, dass gewaltige Aschewolken am Eruptionskrater entstehen, der Kontakt der über 1000 Grad Celsius heißen Lava mit dem Meerwasser lässt das Wasser verdampfen und auch die darin enthaltenen Salzmoleküle. Diese reagieren zu teils giftigen und ätzenden Gasen.“ Er warnt daher ausdrücklich davor, ohne Schutzausrüstung in die Nähe zu gehen. Man muss mit weiteren Gefahren rechnen, wie plötzliche Dampfgasexplosionen oder feinste Asche und Glaspartikel, die durch den starken Wind über viele Kilometer verfrachtet werden. Das sich neu bildende Delta im Meer wächst zusehends, kann aber unvorhergesehen wieder nachgeben und abbrechen.
Die Erdbeben verlagern sich mit steigenden Magnituden wieder nach Süden, ins Zentrum der Cumbre Vieja. Die komplexen Ereignisse sind nicht leicht zu entschlüsseln. Deshalb hat das GFZ ein Team mit Expert*innen zusammengestellt, um sowohl mit Daten aus der Fernerkundung und Computeranalysen als auch mit vor Ort erhobenen Daten die Lage einzuschätzen. Nicole Richter, Alina Shevchenko und Carla Valenzuela Malebran, Forscherinnen aus der GFZ-Taskforce und der Sektion Erdbeben- und Vulkanphysik, sind bereits wenige Tage nach Beginn der Eruption aufgebrochen. Sie hatten zahlreiche wissenschaftliche Instrumente wie Seismometer, Neigungsmesser, Drohnen und Thermalkameras im Gepäck.
Bereits die Reise gestaltete sich überraschend und schwierig, der Flughafen auf La Palma wurde kurzfristig gesperrt, es folgte ein Umweg über Teneriffa. Inzwischen sind die GFZ-Forscherinnen vor Ort eingetroffen, die ersten Stationen sind online und laufen. Diese Arbeiten wurden möglich durch die Zusammenarbeit innerhalb des GFZ und sind eng mit den Aktivitäten anderer Institute in Spanien und in Deutschland verzahnt. Beispielsweise planen Wissenschaftler*innen des GFZ und des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung GEOMAR in Kiel eine kombinierte Vermessung der Ereignisse an Land (GFZ) und im Meer (GEOMAR). Auch werden die ersten seismischen Daten nun am GFZ empfangen und gleichzeitig an den Partner IGN in Spanien übertragen. Das erleichtert die Lagebestimmung der zunehmenden Erdbeben. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Sie zeigen eine Anhäufung der Erdbeben in rund 12 km Tiefe, weit entfernt vom Eruptionsherd. Weisen sie auf eine Magmakammer hin? Wie hängen die Eruptionen mit den Erdbeben und der Oberflächenverformung zusammen? Das sind die Fragen, denen die Vulkanolog*innen und Geophysiker*innen des GFZ gemeinsam mit ihren spanischen und deutschen Kolleg*innen nachgehen. Thomas Walter: „Noch ist es zu früh zu sagen, ob und wie sich dieser Ausbruch entwickeln wird, ob es weitere Eruptionszentren gibt – wie üblich bei vergangenen Ausbrüchen auf La Palma – oder ob der Vulkan sich wieder bald zur Ruhe legt. Der große Erfolg der Wissenschaft und Behörden ist bereits jetzt, dass es trotz der relativ großen Eruption und Zerstörung bei Sachschäden blieb.“
Hintergrund:
Die Kanarischen Inseln entstanden durch Vulkanismus und zeigten noch in ihrer jüngeren geologischen Vergangenheit morphologische und strukturelle Änderungen, wie große Explosionen, Rutschungen ganzer Inselflanken, oder auch Kalderen. Sieben der acht Inseln (alle außer La Gomera) können als vulkanisch aktiv bezeichnet werden. Die Inseln sind wahre Giganten: Zwischen einer Million und zwanzig Millionen Jahre alt, erheben sie sich bis zu 3715 m hoch über dem Meer. Der weitaus größere Teil liegt jedoch unter Wasser und drückt lokal sogar die Ozeankruste ein. Damit haben die Vulkane der Kanarischen Inseln oftmals mehr als hundert Kilometer Durchmesser. Wie die Spitze eines Eisbergs ragt auch La Palma aus dem Meer.
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. Thomas Walter
Sektion Erdbeben- und Vulkanphysik
Helmholtz-Zentrum Potsdam
Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
Telegrafenberg
14473 Potsdam
Tel.: +49 331 288-1253
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Dipl.-Geog.
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