Am 19. April 2020 jährte sich der „Start“ des ersten Satelliten des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ zum 25. Mal. 'GFZ-1' wurde auf sehr ungewöhnliche Weise in seine Umlaufbahn gebracht, weswegen das Wort Start in Anführungszeichen steht: Der fußballgroße Minisatellit wurde kurz nach 21 Uhr MESZ (19:12 Uhr Weltzeit) aus einer Luftschleuse der russischen Raumstation 'Mir' ausgeworfen. GFZ-1 begründete nicht nur die Satelliten-gestützte Forschung am GFZ, sondern hält auch einen wichtigen wissenschaftlichen Rekord: Er war der niedrigste geodynamische Satellit, der jemals mit Lasern vermessen wurde.
Der passive Satellit (er verfügte über keinen eigenen Antrieb und keine Bordelektronik) hatte 60 Retro-Reflektoren auf seiner Oberfläche. Diese dienten zur Beleuchtung vom Boden durch das globale Netzwerk des Satelliten Laser Ranging (SLR) Systems. Die SLR-Stationen fingen das aus dem All zurückgestrahlte Licht auf und konnten damit seine exakte Position bestimmen. Aus Messungen von weltweit verteilten Stationen ließen sich wiederum Rückschlüsse auf das Gravitationsfeld der Erde ziehen.
Heute betreibt das GFZ gemeinsam mit der US-amerikanischen Weltraumagentur NASA eine auf das Erdschwerefeld spezialisierte Satellitenmission, die mehrere wissenschaftliche Durchbrüche ermöglichte: GRACE (2002 bis 2017) und GRACE Follow-On (seit 2018). Erstmals konnte der Eismassenverlust der großen Eisschilde auf Grönland und über der Antarktis beziffert werden. Außerdem ermöglicht die Mission, „mittels der Beobachtung von Massenverlagerungen nachzuverfolgen, wie Wasser sich im Untergrund verhält“, sagt Reinhard Hüttl, Vorstandsvorsitzender und Wissenschaftlicher Vorstand des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ. „Dieser Bereich war der Weltraum-gestützten Fernerkundung davor nicht zugänglich“, so Hüttl weiter, „und das hat uns neue Möglichkeiten eröffnet, Klimaveränderungen zu beobachten und zu quantifizieren.“
GRACE und GRACE FO sind der bisherige Höhepunkt einer Reihe von Missionen, die mit GFZ-1, seinerzeit liebevoll auch „Space-Trabi“ genannt, begonnen hat. Hinzu kommt die hochmoderne SLR-Station auf dem Telegrafenberg, die Teil eines weltumspannenden Netzwerkes ist. Die Potsdamer Laserstation kann die Entfernung zu Satelliten in Umlaufbahnen von 400 bis 25.000 Kilometern über der Erde mit einer Genauigkeit von etwa einem Zentimeter messen.
GFZ-1 diente auch dem „Training“ der Potsdamer SLR-Station. GFZ-1 zeigte sowohl die Möglichkeiten als auch die Schwierigkeiten der Verfolgung derart niedriger Ziele mit den jeweils modernsten SLR-Systemen. Zu den Möglichkeiten zählt die besonders exakte Vermessung des Erdschwerefeldes. Je tiefer der Satellit fliegt, desto mehr ist er den Einflüssen der Gravitation ausgesetzt. Das Problem dabei: Sonnenstürme wirbeln die oberen Atmosphärenschichten durcheinander, das turbulente „Weltraumwetter“ macht die Bahn des antriebslosen Satelliten unregelmäßig. Daher ist das Anpeilen mit Laserteleskopen umso schwieriger, je näher der Satellit der Erde ist. GFZ-1 kreiste zunächst in knapp 400 Kilometern Höhe um die Erde. Die letzte Messung erfolgte von Australien aus auf einer Höhe von 230 km. Danach verglühte der „Space Trabi“ am 23. Juni 1999 um 1 Uhr Weltzeit.
Für das GFZ knüpfen sich zahlreiche Forschungsgebiete an diese Mission. Neben der Vermessung des Erdschwerefeldes und der SLR-Station auch die genauen Bahnbestimmungen von Navigationssatelliten, die Bestimmung von Wasserdampfgehalt der Atmosphäre (wichtig für Wetterdienste), die Erforschung des „Weltraumwetters“ und seiner Einflüsse auf Satelliten sowie die Messung von Grundwasser, Bodenfeuchte und Eismassenverlust. Mehrere Ausgründungen des GFZ hängen damit zusammen, die Firma DiGOS beispielsweise konzipiert und baut SLR-Stationen und wurde kürzlich mit dem Innovationspreis Berlin-Brandenburg ausgezeichnet.
Ein anderes, in Gründung befindendes „Start-up“ aus dem GFZ will landwirtschaftliche Betriebe, Rückversicherer oder Wasserversorger mit Daten zu Wasserressourcen beliefern.