Die Erdoberfläche ist der Teil unseres Planeten, der die Grenzfläche bildet zwischen der festen Erdkruste, den Gewässeroberflächen und Böden auf der einen und der Atmosphäre auf der anderen Seite. Aber wie weit reicht die Erdoberfläche in die Tiefe hinunter? Um dieser Frage wortwörtlich auf den Grund zu gehen, startete in den letzten Wochen die Bohrkampagne ‚Deep Earthshape‘ im nördlichen Chile. Koordiniert wird sie von Friedhelm von Blanckenburg, dem Leiter der Sektion Geochemie der Erdoberfläche, unterstützt von der Arbeitsgruppe Wissenschaftliches Bohren der Sektion Geomechanik und Wissenschaftliches Bohren unter Beteiligung der Sektionen Geomikrobiologie und Oberflächennahe Geophysik sowie einer Reihe deutscher Universitäten.
Auf der Erdoberfläche finden Prozesse statt, die von der Atmosphäre beeinflusst werden. Hier siedeln Tiere und Pflanzen und hier findet Verwitterung und Bodenbildung statt. Unter dieser obersten Schicht der Erde befindet sich festes Gestein. Aber wie tief muss man bohren, um auf dieses feste Gestein zu stoßen? Ist die Erdoberfläche überall gleich mächtig und wovon hängt das Ausmaß der Schicht ab?
Um diese Fragen zu beantworten, bohrt ein internationales Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom GFZ und den Universitäten Tübingen, Göttingen, Bayreuth und der TU Berlin nun in La Serena im Chilenischen Küstengebirge im Rahmen des DFG-geförderten Schwerpunktprogrammes ‚Earthshape – Earth Surface Shaping by Biota‘ 100 Meter in die Tiefe. Die Bohrung ist die erste aus einer Reihe von insgesamt vier Bohrungen entlang eines Klimagradienten, mit sehr unterschiedlichen klimatischen Verhältnissen – von feuchtem Regenwald bis zur trockenen Atacamawüste.
Ein wichtiger Prozess, der bestimmt, wie weit es hinab geht, ist die Gesteinsverwitterung. Sie lässt Böden entstehen und zersetzt in Klüften und Spalten die Oberfläche von Gesteinskörpern. Diese Verwitterungsprozesse hängen vom Klima ab: Je feuchter das Klima, desto schneller läuft die Verwitterung ab. Eine Annahme war deshalb, dass dort, wo das Klima feucht ist und wo viel Wasser in der Tiefe versickert, die Bodenschicht umso mächtiger ist und die Erdoberfläche weiter in die Tiefe reicht, als unter trockenen Bedingungen.
Von den ersten Resultaten des trockenen Standorts in der Wüste sind die WissenschaftlerInnen jedoch überrascht. Friedhelm von Blanckenburg: „Wir müssen möglicherweise gleich zwei herkömmliche Vorstellungen revidieren. Erstens konnten wir feststellen, dass sich die Erdoberfläche mit 80 Metern bis in weit größere Tiefe erstreckt als bisher angenommen“. In Gebirgen wie in Chile ging die Wissenschaft bisher von Verwitterungszonen mit maximal 20 Metern Tiefe aus. „Zweitens wird diese Tiefe offenbar auch unter den in Nordchile schon seit mehreren Millionen Jahren vorherrschenden trockenen klimatischen Bedingungen erreicht.“ Das Gestein in La Serena in Form von Granit ist bis in 80 Meter Tiefe stark verwittert. Erst darunter findet sich das ursprüngliche, noch unverwitterte Granitgestein.
Um zu ergründen, was zu dieser Verwitterungstiefe geführt hat, sollen die gewonnen Bohrkerne zurück in Deutschland im Labor genauer untersucht werden. Von Blanckenburg: „Eine Erklärung könnten in der Tiefe lebende Mikroben sein, die das Gestein auch ohne das Vorhandensein von Wasser zersetzen. Wenn es sie gibt interessiert uns, wie genau sie das machen und wovon sie dort leben.“ Im Labor in Potsdam soll eine mikrobiologische Charakterisierung folgen und im Bohrkernmaterial nach DNA gesucht werden. Welche Geheimnisse über das Leben unter unseren Füßen der La Serena-Kern und die anderen Bohrkerne noch preisgeben werden, bleibt abzuwarten. (ak)