Helmholtz-Zentrum Deutsches Geoforschungszentrum

Satellitenradar zeigt baubedingte Küstensenkungen in Florida

35 von 197 untersuchte Küstenbauwerke auf den Barriere-Inseln vor Miami sind 2016-2023 um bis zu 8 cm abgesunken – vermutlich durch Verdichtung im Untergrund liegender Sandschichten.

Zusammenfassung

Der Einsturz des Hochhaus-Wohnblocks „Champlain South Condominium“ in einem Vorort von Miami, Florida, im Jahr 2021, bei dem 98 Menschen ums Leben kamen, machte auf mögliche Gefahren einer massiven Stadtentwicklung in gefährdeten Küstenregionen aufmerksam. Nun hat eine neue Studie alarmierende Anzeichen für die strukturelle Instabilität von Hochhäusern entlang der Küste vor Miami in Südflorida aufgezeigt. Die Untersuchungen wurden von Forschenden der University of Miami, der University of Houston und des NASA Jet Propulsion Laboratory in den USA in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern um Prof. Mahdi Motagh vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ und der Leibniz Universität Hannover durchgeführt. Das Forschungsteam hat anhand von satellitengestützten Radarmessungen an 35 von 197 Küstengebäuden im Zeitraum zwischen 2016 und 2023 Senkungen von bis zu 8 Zentimetern dokumentiert, wobei neuere, seit 2014 errichtete Gebäude am stärksten betroffen sind, ebenso wie der nördliche Küstenabschnitt. Als eine Hauptursache werden Kriechverformungen von Sandschichten im Kalkstein-Untergrund der Region vermutet, die durch die Baubelastung beschleunigt oder ausgelöst werden können. Auch Wasserbewegungen durch die Gezeiten oder die Einleitung von Regenwasser könnten diese Prozesse verstärken. Die Ergebnisse zeigen, dass solche Absenkungen – im Gegensatz zu bisherigen Annahmen – in manchen Fällen auch noch Jahre nach dem Bau auftreten und in Bestandsbauten auch durch benachbarten Neubau ausgelöst werden können. Die Studie ist im Fachmagazin Earth and Space Science erschienen.

Die Messung von Gebäudeabsenkungen

Um Informationen über die Stabilität und Bewegung kritischer Infrastrukturen wie Gebäude, Dämme, Verkehrsnetze und Brücken zu gewinnen, können satellitengestützte Radarsysteme genutzt werden. Bei der sogenannten Radar-Interferometrie (InSAR – Interferometric Synthetic Aperture Radar) werden die Radar-Signale an Objekten wie z.B. Balkonen, Klimaanlagen auf dem Dach und Gehwegen zum Satelliten in ca. 700 Kilometer Höhe zurückgestreut. Die Analyse dieser Echos ermöglicht es, die Verschiebung von Objekten auf Millimeter bis Zentimeter genau zu detektieren.

Mit dieser Technik untersuchte das Forschungsteam die Bebauung eines etwa 15 Kilometer langen Küstenstreifens der Barrier Islands vor Miami, Florida, von Sunny Isles Beach im Norden über Bal Harbor und Surfside bis Miami Beach im Süden.

Die Forschenden aus den USA um Erstautorin Dr. Farzaneh Aziz Zanjani, PostDoc an der University of Miami, und Prof. Falk Amelung, ebenfalls von der University of Miami und als „Helmholtz International Fellow“ 2019 Gastwissenschaftler am GFZ, analysierten Daten des europäischen Sentinel-1-Satelliten und erstellten durch die Kombination von 222 SAR-Bildern Zeitreihen der Oberflächenverschiebung für die Jahre 2016 bis 2023. Die Ko-Autoren um Mahdi Motagh, Arbeitsgruppenleiter in der GFZ-Sektion 1.4 „Fernerkundung und Geoinformatik“ sowie Professor an der Leibniz Universität Hannover, und Andreas Piter, Doktorand bei Mahdi Motagh an der Leibniz Universität Hannover, werteten zusätzlich 121 Datensätze des deutschen TerraSAR-X-Satelliten aus, die im Zeitraum 2017 bis 2021 gemessen wurden.

Für die Datenauswertung kam unter anderem eine neue Open-Source-Software namens „SARvey“ zum Einsatz, die in Zusammenarbeit zwischen dem GFZ und der Leibniz Universität Hannover maßgeblich von Piter entwickelt wurde.

Ergebnisse: Absenkungen von Küstenbauwerken

Die Forschenden haben an 33 von 87 Küstenbauwerken in Sunny Isles Beach, Bal Harbor und Surfside erhebliche Absenkungen von zwei bis acht Zentimetern beobachtet, von den 110 Küstengebäuden im südlich gelegenen Miami Beach waren nur zwei betroffen. Insgesamt zeigten sich lokale Häufungen entlang der Küste. Außerdem wurde festgestellt, dass insbesondere neuere Gebäude, die nach 2014 gebaut wurden, von den Absenkungen betroffen waren. Das könnte nach Angaben der Forschenden auf einen direkten Einfluss der dazugehörigen Bautätigkeiten hindeuten. Bei älteren betroffenen Gebäuden fällt das Einsetzen der Senkungen meist mit nahegelegenen Bauaktivitäten zusammen.

Für das 2021 kollabierte „Champlain South Condominium“ konnte das Team allerdings keine vorherigen Anzeichen für eine Absenkung feststellen, was zum Teil daran lag, dass der eingestürzte Abschnitt von dem in dieser Studie verwendeten seitwärtsgerichteten Radarsensor nicht richtig abgebildet werden konnte.

Gefahrenpotenzial: Sandige Schichten im Baugrund an Floridas Küste

Als wesentliche – lokal wirksame – Ursache für die Absenkungen und damit die Gefährdung der Gebäude an der Küste sehen die Forschenden die sandige Untergrundgeologie von Miami und Umgebung. Sie besteht hauptsächlich aus Kalkstein, der im Laufe der geologischen Entwicklung mit sandigen Schichten durchsetzt wurde, und stellt die Stadtentwicklung vor einzigartige Herausforderungen.

Es ist allgemein bekannt, dass neue Hochhäuser während und kurz nach dem Bau Setzungen von mehreren zehn Zentimetern erfahren können. Die aktuelle Studie zeigt jedoch, dass die Setzungen auch noch Jahre später anhalten können.

Die Forschenden stellen die Hypothese auf, dass die bei Miami beobachteten Senkungen in erster Linie durch das Gewicht der Gebäude und die Bautätigkeit ausgelöst werden. Diese gehen sowohl mit Erschütterungen einher als auch mit dynamischen Setzungen in der Folge von Grundwasserabfluss nach Abpumpen. Beides könnte zu einer allmählichen Verdichtung der Sandkörner innerhalb der im Kalkstein eingelagerten Sandschichten führen. Auch die tägliche Gezeitenströmung durch die Sandschichten und die Einleitung von Regenwasser kann zu Setzungen führen, indem es die Sandkörner umschichtet oder den Kalkstein auflöst. Insgesamt werden Senkungen wahrscheinlich durch eine Kombination dieser Mechanismen verursacht, wobei ihre spezifischen Beiträge je nach den örtlichen geologischen Bedingungen variieren.

Da die Barriere-Inseln vor der Küste von Miami bereits durch den Anstieg des Meeresspiegels und den Klimawandel gefährdet sind, erhöht sich das Risiko für die Infrastruktur der Stadt durch die anhaltenden Bodensenkungen noch weiter.

Bedeutung des Monitorings von Bodensenkungen für eine resiliente Stadtentwicklung

Inwiefern die hier beobachteten Entwicklungen auch auf andere Gegenden übertragbar sind, hängt maßgeblich von der Geologie des Untergrunds ab.

„Für eine nachhaltige Stadtentwicklung ist es von entscheidender Bedeutung, das Risiko von Bodensenkungen zu verstehen und zu bewältigen. Die Komplexität des Umgangs mit solchen Risiken erfordert einen vernetzten Ansatz und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, um die Widerstandsfähigkeit von Städten zu fördern, damit sie den Herausforderungen durch natürliche und vom Menschen verursachte Faktoren standhalten können“, betont Mahdi Motagh vom GFZ.

„Moderne Fernerkundungstechnologien wie InSAR spielen eine Schlüsselrolle bei der Überwachung der städtischen Entwicklung in gefährdeten Gebieten, da sie eine frühzeitige Erkennung und Bewertung von Risiken für städtische Elemente ermöglichen, die der Gefahr von Bodenverformungen ausgesetzt sind. Diese Daten können als Grundlage für Entscheidungen über die Entwicklung der Infrastruktur, die Flächennutzung und die Katastrophenvorsorge dienen.“
 

Förderung:

  • University of Miami Laboratory For Integrative Knowledge (U-Link) Climate Resilience program
  • German Federal Ministry for Digital and Transport
  • University of Houston
  • National Aeronautics and Space Administration. Grant Numbers: NNH21ZDA001N-DSI, 80NSSC 22K1096
  • Helmholtz International Fellowship to Falk Amelung
  • U.S. National Science Foundation. Grant Numbers: 2138259, 2138286, 2138307, 2137603, 2138296

Originalpublikation

Aziz Zanjani, F., Amelung, F., Piter, A., Sobhan, K., Tavakkoliestahbanati, A.,
Eberli, G. P., Haghighi, M. H., Motagh, M., et al. (2024). Insar observations of construction‐induced coastal subsidence on Miami's barrier islands, Florida. Earth and Space Science, 11, e2024EA003852.
https://doi.org/10.1029/2024EA003852

Weiterführende Informationen:

https://github.com/luhipi/sarvey

 

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