Katrin Kohnert ist Doktorandin in der GFZ-Sektion Fernerkundung. Sie forscht vor allem im Norden von Alaska und im kanadischen Flussdelta des Mackenzie zur Freisetzung von Treibhausgasen aus Permafrostböden unter dem Einfluss des Klimawandels. Vor wenigen Wochen kehrte sie von ihrer jüngsten Expedition aus dem Mackenzie-Delta zurück.
GFZ: Sie kommen gerade aus dem Mackenzie-Delta in Kanada. Was für eine Expedition war das?
Katrin Kohnert: Das Mackenzie-Delta ist ein Permafrostgebiet und wir, die GFZ-Arbeitsgruppe Erde-Atmosphäre-Wechselwirkungen, untersuchen dort in Kooperation mit dem Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, AWI, in erster Linie Emissionen der Treibhausgase Methan und CO2. Dafür nutzen wir das Forschungsflugzeug Polar 5 des AWI mit dem wir über dem Gebiet mehrwöchige Messkampagnen fliegen.
GFZ: Warum haben Sie sich für das Mackenzie-Delta entschieden?
Kohnert: Das Gebiet ist wissenschaftlich sehr interessant: Hier gibt es sowohl Bereiche mit mächtigem Permafrost, als auch Bereiche, in denen der Permafrost dünner ist.
Für das Gebiet liegen außerdem Bodenmessungen von anderen Forschungsinstituten vor - vor allem aus Kanada - und das AWI erforscht die Küste schon seit Jahren. Deshalb können wir unsere Messungen mit den schon vorhandenen Daten zusammenbringen.
Außerdem gibt es logistische Gründe: Um das Forschungsflugzeug betreiben zu können, sind wir auf einen Flughafen mit Strom und Treibstoffversorgung angewiesen. Den gibt es in Inuvik, einer Stadt direkt am Mackenzie-Delta. Es bietet sich also an, Prozesse des Permafrosts dort zu erforschen.
GFZ: Wann ist das Projekt gestartet?
Kohnert: 2011 gab es die erste Kampagne, seit 2012 fanden vier weitere Kampagnen in Alaska und Kanada statt und ähnliche Kampagnen in Sibirien. Ich bin seit 2013 dabei, als ich meine Doktorandinnenenstelle am GFZ angetreten habe.
GFZ: Was war Ihr konkreter Anteil an der Expedition?
Kohnert: So eine Kampagne besteht aus ganz viel Vorbereitung. Es muss festlegt werden, was wie lange gemessen werden soll und welche Strecken wie oft abgeflogen werden, um möglichst große Gebiete abzudecken - das Mackenzie-Delta ist riesig. Darum habe ich mich gekümmert.
Außerdem müssen vorab Prioritäten gesetzt werden, um dann vor Ort je nach Wetterbedingungen oder auch bei technischen Problemen zu wissen, was Vorrang hat und zuerst gemacht werden muss. Im Flugzeug habe ich dann die Gasmessungen überwacht.
GFZ: Wie sieht so eine Messung per Flugzeug aus?
Kohnert: Vorne am Flugzeug ist ein langer Mast angebracht. Daran befinden sich Temperatur- und Feuchtesensoren und eine sogenannte Fünf-Loch-Sonde, womit wir Windrichtung und -geschwindigkeit messen.
Dann gibt es auf dem Dach des Flugzeugs einen Einlass durch den Luft über ein Rohrsystem in einen Gasanalysator im Flugzeug gepumpt wird, mit dem wir die Methan- und CO2-Konzentrationen und den Wasserdampfgehalt in sehr hoher Geschwindigkeit aufzeichnen.
Ich sitze im Flugzeug am Gasanalysator und verfolge die Messung live über einen Bildschirm. Dabei muss ich zum Beispiel permanent darauf achten, dass der Druck im Gasanalysator stabil bleibt.
GFZ: Auf welcher Höhe fliegen Sie?
Kohnert: Wir fliegen in nur ungefähr 60 Metern Höhe über dem Boden, in den unteren zehn Prozent der atmosphärischen Grenzschicht. Das ist die Schicht, in der die Austauschprozesse zwischen Erdoberfläche und Atmosphäre stattfinden.
Hier messen wir, wieviel CO2 der Atmosphäre durch Photosynthese der Vegetation entzogen wird und wieviel Methan freigesetzt wird. Wenn wir höher fliegen würden, würden unsere Messungen durch weiter entfernten Regionen oder aus anderen atmosphärischen Schichten beeinflusst werden.
GFZ: Warum ein Flugzeug und nicht etwa Satelliten oder Drohnen?
Kohnert: Das gute am Flugzeug im Vergleich zu Satelliten ist, dass wir festlegen können, wo wir hinfliegen. Und speziell dieses Flugzeug ist groß genug, so dass wir jeweils fünf Stunden Flugzeit zur Verfügung haben. Das heißt, wir können sehr weite Strecken abfliegen, was wichtig ist, weil wir an den räumlichen Mustern der Treibhausgasemissionen interessiert sind.
Satellitendaten gibt es zu unserem Gebiet zwar, aber die sind für unsere Fragestellungen mit der derzeitigen Technik so noch nicht brauchbar. Sie liefern lediglich Gesamtkonzentrationen der atmosphärischen Säule. Um aus den vorhandenen Satellitendaten den Stoffaustausch zwischen Geosphäre und Atmosphäre ableiten zu können, ist es noch ein weiter Weg.
Wenn wir eine Drohne nutzen würden, könnten wir nur sehr viel kleinere Abschnitte abfliegen. Das ist natürlich auch spannend, weil man damit eine sehr hohe Auflösung der Messungen bekommt. Im Rahmen des MOSES-Projekts (Anm. d. Red. ‚Modular Observation Solutions for Earth Systems‘ des Helmholtz-Forschungsbereichs Erde und Umwelt) sind wir tatsächlich gerade dabei, die gesamte Messtechnik auf einer Drohne unterzubringen, die Anfang nächsten Jahres betriebsbereit sein soll. Das ergänzt dann unsere Flugzeugmessungen sehr gut.
GFZ: Sie machen auch Fotos, richtig?
Kohnert: Genau. Das war besonders für die beteiligten Partner wichtig. Wir hatten vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt eine Stereokamera dabei, die unten am Flugzeug angebracht war und hochauflösende Fotos gemacht hat.
Für eine Gruppe des AWI sind wir die Küste abgeflogen, weil wir dort zusammen die Küstenerosion untersuchen. Die kann in arktischen Gebieten ziemlich stark sein. Aus den Fotos erstellen sie detaillierte 3D-Geländemodelle. Im nächsten Jahr machen wir das Ganze nochmal, damit sie anhand der Geländemodelle vergleichen können, wie stark die Küste zurückschreitet.
In den bisherigen Jahren haben wir zu diesem Zweck bereits wiederholt LiDAR-Daten (Anm. d. Red.: per LiDAR „light detection ranging“ lässt sich mittels Laser-Abstandsmessung die Oberflächenstruktur der Erde vermessen) gesammelt. Die Stereokamera ergänzt und erweitert nun die Datengrundlage.
GFZ: Es gab Probleme mit dem Flugzeug, weshalb die Kampagne verzögert gestartet ist. Was war los?
Kohnert: Es gibt vor jeder Kampagne einen Testflug in Bremen, wo das Flugzeug stationiert ist. Wir waren alle schon da und wollten losfliegen, als der Pilot – zum Glück noch rechtzeitig – ein ungewöhnliches Geräusch feststellte, das sich als Triebwerkschaden herausstellte.
Das Triebwerk musste ausgetauscht werden und die Reparatur einschließlich Wartezeit hat so lange gedauert, dass wir - wir wollten eigentlich erst zwei Wochen nach Alaska und dann noch zwei Wochen nach Kanada – den gesamten Alaska-Teil der Kampagne streichen mussten. Zum Glück konnten wir in Kanada noch einen Teil der geplanten Messungen durchführen.
GFZ: Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich aus dem Projekt?
Kohnert: Für mich geht es darum, räumlich hochaufgelöste Daten zu den Methanemissionen aus dem Permafrost zu erheben. Die Arktis ist so unzugänglich, dass es bisher nur wenige vereinzelte Messungen gibt, die aber womöglich gar nicht repräsentativ für die gesamte Arktis sind.
Ich möchte herausfinden, wieviel die Methanemissionen der Arktis zum Klimawandel beitragen. Da können Flugzeugmessungen besondere Einblicke geben, weil wir damit große Gebiete abfliegen können und so räumliche Muster erkennen. Sind die Emissionen beispielsweise in einem Gebiet besonders hoch, versuche ich die Ursachen zu erklären, indem ich unsere Daten mit Fernerkundungsdaten oder Untersuchungen am Boden zusammenbringe.
Im Moment fehlt noch das Gesamtverständnis dazu, wieviel Methan in der Arktis freigesetzt und wieviel CO2 dort durch pflanzliche Photosynthese aufgenommen wird.
GFZ: Warum interessieren Sie sich speziell für die Arktis? Müsste man das nicht global betrachten?
Kohnert: Ja, das muss man tatsächlich. Wir als Arbeitsgruppe konzentrieren uns bisher allerdings vor allem auf die ausgedehnten arktischen Permafrostlandschaften und Gebiete in Nordostdeutschland. Letztere untersuchen wir im Rahmen von TERENO (Anm. d. Red. ‚TERrestrial ENvironmental Observatories‘ der Helmholtz-Gemeinschaft) über fest installierte Messtürme in wiedervernässten Mooren und über einem See.
Seit letztem Jahre fliegen wir hier auch, nachdem wir zusammen mit der FU Berlin deren Motorsegler entsprechend ausgerüstet haben. Es wird spannend sein zu sehen, inwiefern die stationären Messungen mit den großräumigeren vergleichbar sind oder eben nicht.
Im nächsten Jahr wollen wir außerdem zusammen mit anderen GFZ-Sektionen und weiteren Partnern im Eger-Rift im Nordwesten Tschechiens arbeiten und dort großflächig die CO2-Ausgasungen mit unserer MOSES-Drohne und dem Motorsegler untersuchen.
GFZ: Sie arbeiten in mehreren Projekten. Woran arbeiten Sie noch?
Kohnert: Ich arbeite hauptsächlich in dem durch die EU im Rahmen von Horizon2020 geförderten Projekt INTAROS (Anm. d. Red. ‚Integrated Arctic Observation System‘), in dem das GFZ Projektpartner ist. Ziel ist die Entwicklung eines Integrated Arctic Observation System.
Darüber sollen unter anderem die gesamten bisher zur Arktis gesammelten Daten - von atmosphärischen und marinen Messungen über die Meereisbedeckung bis hin zu den terrestrischen Treibhausgasmessungen - zusammengetragen und katalogisiert werden, damit sie auch für andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler leicht zugänglich sind.
Dabei bin ich innerhalb unserer Gruppe dafür verantwortlich, die Daten zusammenzutragen und unseren Beitrag zu koordinieren, was auch total spannend ist. Ich bekomme so einen übergeordneten Einblick über das hinaus, was ich selber direkt messe. Das hilft mir natürlich bei der Interpretation meiner eigenen Daten und ich sammele Erfahrung im Projektmanagement.
GFZ: Sie sind noch relativ am Anfang Ihrer wissenschaftlichen Karriere. Gibt es eine wissenschaftliche Frage, die Sie unbedingt lösen möchten?
Kohnert: Ja, die gibt es tatsächlich. Was wirklich noch fehlt und wo wir aktuell noch sehr am Anfang stehen, ist die Frage, wie wir die ganzen Daten inhaltlich zusammenbringen können, also die der sehr kleinräumigen, kontinuierlichen Messungen und großräumige Momentaufnahmen, wie zum Beispiel die unserer Kampagnen. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen arbeite ich daran.
Die Aufgabe ist wahnsinnig komplex und wir müssen zunächst eine geeignete Methode finden. Nur so wird es aber letztlich möglich sein, zu einem Gesamtverständnis der Emissionen aus der Arktis zu kommen.
Interview: Ariane Kujau