Frau Fagiolini, Sie haben ein spezielles Verfahren entwickelt, mit dem sich Wasseressourcen aus dem Weltraum beobachten lassen. Dieses beruht auf der so genannten Hydrogravimetrie. Können Sie kurz erklären, was Hydrogravimetrie ist?
E.F.: Wir benutzen Messungen der Schwerkraft, also die Gravimetrie, um etwas über die Verteilung des Wassers auf der Erde zu erfahren. Mithilfe der Daten aus den Satellitenmissionen GRACE (2002 bis 2017) und GRACE-Follow On (seit Mitte 2018) errechnen wir jeden Monat Karten des Schwerefeldes der Erde. Diese Karten bilden nicht nur Kontinente und Ozeanbecken mit unterschiedlich dichten Krusten ab, sondern auch die Dichteverhältnisse und Massenverlagerungen im Erdmantel sowie kurzfristige Veränderungen der Masse auf und unter der Erdoberfläche.
Was hat das mit dem Wasser zu tun?
E.F.: Sehr viel! Wenn Eis auf Grönland schmilzt, verlieren die Gletscher dort Masse, die ins Meer fließt. Die Ozeane gewinnen also an Masse, während Grönland Masse verliert. Das können wir messen. Wir können auch erkennen, dass die Grundwasserspeicher unter Kalifornien an Masse verlieren – durch Entnahme für die Bewässerung von Farmen und Plantagen. Umgekehrt sehen wir, wenn der Boden mit Wasser gesättigt ist und damit keinen Regen mehr aufnehmen kann. Mithilfe der Schwerefeldmessungen können wir also vor Wassermangel in Regionen genauso warnen wie vor einem erhöhten Überflutungsrisiko.
Damit wären landwirtschaftliche Betriebe und Katastrophenschutzdienste also die Hauptzielgruppe für die Nutzung Ihrer Daten.
E.F.: Die gehören dazu, ja. Aber es gibt noch eine ganze Reihe weiterer potentieller Kunden, beispielsweise Rückversicherer, andere Versicherungsunternehmen oder Wasserversorger. Letztlich betrifft es alle, die mit dem Management der Ressource Wasser zu tun haben: Behörden, Kommunen, Wirtschaftsbetriebe, die viel Wasser benötigen. WaMoS hilft Verantwortlichen im Wassermanagement, besser und früher als bislang gute Entscheidungen über die Wasserverfügbarkeit und die Minderung hydrologischer Risiken zu treffen. Unternehmen erhalten bessere Vorhersagen über Ernten und die Ausbeute von Wasserkraft, weil sie auf weltweite quantitative, vollständige und unabhängige wasserbezogene Informationen zugreifen können.
Die Daten von GRACE und GRACE-Follow on sind aber doch sehr großskalig. Grönland ist eine riesige Insel mit mehr als zwei Millionen Quadratkilometern und das Amazonasbecken ist mit gut sieben Millionen Quadratkilometern noch größer. Was sollten da einzelne Unternehmen oder Behörden davon haben?
E.F.: Eine ganze Menge. Die Daten haben eine globale Abdeckung und sind für einzelne Regionen genau genug, typischerweise haben wir eine Auflösung von etwa 300 Kilometern, was einer Fläche von 90.000 Quadratkilometern entspricht. Wenn wir über Dürre- oder Überschwemmungsrisiken sprechen, ist dies bereits sehr aussagekräftig. Die räumliche Auflösung ist jedoch nur ein Teil der Geschichte. Die standardmäßige Dürreüberwachung auf der Grundlage von Radar- und optischen Daten aus dem Weltraum beispielsweise ist sehr genau, hat aber in der Tiefe Grenzen: Satelliten sind nicht in der Lage, die gesamten Veränderungen der Grundwasserspeicher zu erfassen. Wir schon. Wenn wir Dürrestress und Wasserverfügbarkeit genau erfassen wollen, müssen wir in der Lage sein, die gesamte Speicherung einschließlich der Reservoirs und Grundwasserleiter zu messen, auch wenn wir zunächst eine geringe räumliche Auflösung haben. Unsere kundenspezifischen Werkzeuge, die auf reinen Gravitationsdaten basieren, sind, selbst wenn sie in der groben Auflösung eingesetzt werden, sehr attraktiv, da sie bestehende Wasserhaushaltsmodelle verbessern und somit die Vorlaufzeit für Entscheidungen erhöhen. Wir bieten auch Werkzeuge mit höherer räumlicher Auflösung an (derzeit bis zu 5 km), indem wir Gravitationsdaten mit hydro-metereologischen Modellen kombinieren. Unsere Vision ist es, in Zukunft sämtliche verfügbaren Wasserüberwachungsdaten zu integrieren.
Haben Sie schon Kunden überzeugen können?
E.F.: Ja, einen ersten Kunden haben wir in Australien, und in Lateinamerika bauen wir gerade unser Geschäftsfeld aus. Wir kooperieren überdies mit dem Finanzteam der Weltbank, um Dürre- und Flutrisiken sowie damit einhergehenden finanzielle Krisen besser abschätzen zu können.
Wie sieht es mit der Unterstützung bei so einer Ausgründung aus?
E.F.: Aus dem GFZ habe ich wertvolle Beratung und finanzielle Hilfe erhalten. Vor allem aber freue ich mich über die Unterstützung aus dem Programm Helmholtz Enterprise. Über das darin enthaltene Modul „Helmholtz Enterprise Plus“ haben wir einen externen Marketing & Sales-Experten eingestellt, der sich um den lateinamerikanischen Markt kümmert.