Ende Juni 2023 fand am paläomagnetischen Labor des Leibnitz-Instituts für angewandte Geophysik (LIAG) in Grubenhagen bei Hannover erstmalig ein umfassendes zweitägiges Treffen des neuen Arbeitskreises „Geomagnetik“ der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft (DGG) statt. Er hatte sich am 30. Januar 2023 auf Initiative von Norbert Nowaczyk, dem Leiter des „Labors für Erdmagnetismus in Raum und Zeit“ am GFZ, gegründet. Nowaczyk ist auch dessen Sprecher. Ziel ist es, die heterogen verteilten Einrichtungen und Expertisen der Themenbereiche der geo-, archäo-, paläo-, mineral-, umwelt- und biomagnetischen Forschung in Deutschland und den Nachbarländern zu bündeln und weiterzuentwickeln.
Die Teilnehmenden diskutierten gegenwärtige und zukünftige Entwicklungen, wie etwa die Bedeutung paläomagnetischer Labore für die gesamte geowissenschaftliche Community. Des Weiteren wurden mögliche gemeinsame Projekte erörtert, um Synergieeffekte im Rahmen der vielfältigen Anwendungsbereiche der geomagnetischen Forschung zu nutzen.
Der AK Geomagnetik steht allen interessierten Kolleginnen und Kollegen offen und wird auch seine Vernetzung in Europa und international sukzessive ausbauen.
Ein Überblick über das breite Spektrum geomagnetischer Forschungsthemen:
Geomagnetismus
Geomagnetismus befasst sich mit der Beobachtung und Vermessung des aktuellen Erdmagnetfelds – sowohl vom Erdboden, mittels geomagnetischer Observatorien, als auch von Satelliten aus. Die gewonnenen Daten werden vielfältig verwendet: zur Berechnung des Internationalen Geomagnetischen Referenzfeldes (IGRF), zur Kartierung von magnetischen Anomalien in der Erdkruste, zur Charakterisierung von Teilchenstromsystemen und den Bedingungen im erdnahen Weltraum (Space Weather) sowie zur Erforschung der elektrischen Leitfähigkeit des gesamten Erdmantels und der Dynamik des äußeren Erdkerns. Zu den relevanten Forschungsbereichen gehören auch globale Rekonstruktionen der Magnetfeldänderungen, Polaritätswechsel und Intensitätsschwankungen des Erdmagnetfeldes, unter Einbeziehung paläomagnetischer Daten (s.u.) bis weit in die geologische Vergangenheit zurück.
Archäo- und Paläomagnetismus
Die Daten zum Studium der Eigenschaften und Änderungen des Magnetfelds vor der Zeit der direkten Messungen werden aus anthropogenen Artefakten (Archäomagnetismus) und Gesteinen (Paläomagnetismus) in Laborexperimenten gewonnen. Neben Erkenntnissen zu Magnetfeldvariationen dienen diese Daten auch zur Datierung archäologischer Materialien sowie zur magnetostratigraphischen Datierung sedimentärer und vulkanischer Abfolgen, der Charakterisierung magmatischer Prozesse und der plattentektonischen Rekonstruktion. Auch aktuelle Fragen zur Entstehung des Sonnensystems und planetarer Dynamos werden durch Anwendung paläomagnetischer Verfahren auf Meteoriten bearbeitet.
Mineralmagnetismus und Umweltmagnetismus
Der Mineralmagnetismus befasst sich mit der Untersuchung der archäo- und paläomagnetischen Archive hinsichtlich des Gehalts magnetischer Minerale und ihrer Zusammensetzung, Korngröße und Genese sowie ihres Erhaltungszustands. Die Ergebnisse dienen nicht nur der Verifikation der dokumentierten Magnetfeldvariationen, sondern auch der Rekonstruktion von Umweltbedingungen zur Zeit der Bildung der Archive (Umweltmagnetismus). Dazu kommen magnetische Kartierungen und Bodenanalysen zur Detektion und Analyse des anthropogen erzeugten Eintrags magnetischer Partikel durch Industrie oder Verkehr in die Umwelt.
Biomagnetismus
Auch lebende Organismen, wie zum Beispiel magnetotaktische Bakterien, synthetisieren magnetische Partikel und interagieren mit dem Erdmagnetfeld – dies ist der Bereich des Biomagnetismus. Als Quelle von magnetischen Mineralen spielen eisenreduzierende und -oxidierende Bakterien im globalen Eisenzyklus eine wichtige Rolle. Sie liefern wertvolle Informationen über die biologische Primärproduktion sowie den Austausch von Nährstoffen in Seen, Flussdeltas und Ozeanen. Biogen erzeugte magnetische Partikel tragen auch zur Aufzeichnung der Erdmagnetfeldvariationen in Sedimenten bei. In Kombination mit Bestimmungen des Gehalts an kosmogenen Radionukliden und geochemischen Untersuchungen können Einblicke in die Klimageschichte gewonnen werden. Das unterstützt die Bemühungen, die gegenwärtigen Klimaänderungen zu verstehen.
Anwendungen der Methoden in weiteren Disziplinen
Die durch den AK Geomagnetik abgedeckten Methodiken haben darüber hinaus Überschneidungen mit anderen wissenschaftlichen und angewandten Disziplinen, wie der Biologie, Medizin, Festkörperphysik, Vor- und Frühgeschichte, Umwelttechnik, Kampfmitteldetektion und Nautik.