Das Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty (CTBT) ist ein Abkommen, das alle nuklearen Explosionen, ob zu militärischen oder friedlichen Zwecken, verbieten soll. Die UNO übertrug der Comprehensive Nuclear-Test-Ban-Treaty Organization (CTBTO) den Auftrag zur Überprüfung der Einhaltung des Abkommens. Dafür greift die CTBTO auf eine am GFZ entwickelte Software namens SeisComP3 zurück. Diese Software wurde am GFZ ursprünglich im Rahmen des GITEWS*-Projektes für den Einsatz in Tsunamiwarnsystemen entwickelt. Was diese Software leistet und inwiefern sie sich für den CTBT-Einsatz eignet, erklärt der GFZ-Wissenschaftler Dr. Winfried Hanka, ehemaliger Leiter des GITEWS-Teilprojekts Erdbebenmonitoring, im Interview.
GFZ: Wie kam es dazu, dass die UNO auf die Software SeisComP3 aufmerksam wurde und sie für den Einsatz der Überwachung des CTBT ausgewählt hat?
Dr. Winfried Hanka: SeisComP3 ist seit seiner Entwicklung für den Einsatz im indonesischen Tsunamiwarnsystem zu einer weltweit eingesetzten seismologischen Standardsoftware geworden, nicht nur in Tsunami-Zentren und bei Erdbebendiensten sondern zunehmend auch für die lokale Überwachung des unterirdischen Raumes, z.B. bei Öl-, Gas- und Geothermie-Feldern. Auch viele Nationale Datenzentren für die CTBT-Überwachung, die NDCs innerhalb der CTBO, der Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organisation, sind in ihrer Eigenschaft als nationale Erdbebendienste bereits SeisComP3-Nutzer. Sie haben wohl bei der CTBTO für den Einsatz von SeisComP3 auch für die Überwachung des CTBT geworben, damit sie nicht mit verschiedenen Softwarepaketen arbeiten müssen.
GFZ: Was genau leistet die Software SeisComp3 und warum zeichnet sie das für den Einsatz bei der CTBT-Überwachung aus?
W. Hanka: SeisComP3 erfasst und archiviert zunächst hereinkommende Daten in Echtzeit und leitet sie direkt an Nutzer weiter. Dann untersucht die Software die Daten automatisch auf seismische Ereignisse und lokalisiert und quantifiziert diese sehr schnell. Wie bei der Tsunamiwarnung besteht auch bei der CTBT-Überwachung die Hauptaufgabe in einem allgemeinen Erdbeben-Monitoring. Die Tsunamizentren konzentrieren sich dann im Weiteren auf die Starkbeben unter dem Meeresboden, während die CTBTO und die NDCs sich besonders um Ereignisse in bekannten Testgebieten für Atomwaffen oder in Regionen kümmern, die eigentlich nicht für seismische Aktivitäten bekannt sind.
GFZ: Eine Herausforderung bei der Überwachung des CTBT sind unterirdische Atomexplosionen. Was ist die seismische Besonderheit unterirdischer Atomexplosionen und inwiefern lassen sie sich von den seismischen Mustern von Erdbeben unterscheiden?
W. Hanka: Die seismische Quelle unterirdischer Atomexplosionen ist sehr flach, die Energieabstrahlung radialsymmetrisch und das Energiespektrum sehr hochfrequent. Die seismischen Signale sind daher in der Regel einfach, hochfrequent, klingen relativ schnell ab und weisen kaum Richtungsabhängigkeit auf.
Seismische Signale von starken Erdbeben und unterirdischen Kernsprengungen lassen sich relativ leicht aufgrund von Signalform, Spektralcharakteristik und Herdparametern unterscheiden. Schwierig wird es aber bei sehr kleinen Signalen nahe der Detektionsgrenze. Dort besteht zunächst das Hauptproblem darin, ein Ereignis überhaupt erstmal zu entdecken. Daher besteht das seismische Netz der CTBTO nicht aus Einzelstationen sondern fast ausschließlich aus besonders empfindlichen Kleinarrays. Das sind viele zusammengeschaltete Einzelstationen innerhalb von zwei bis drei Kilometern, für deren Datenanalyse besondere Softwaremodule benötigt werden.
Bei sehr kleinen Signalen, z.B. bei Nukleartests im unteren einstelligen Kilotonnenbereich oder sogar unter einer Kilotonne, funktionieren die üblichen Diskriminationsverfahren unter Umständen nicht mehr. Dann kann es notwendig sein, zur weiteren Klärung sogenannte „On-site“-Inspektionen vorzunehmen, wie sie der CTBT bei Verdachtsfällen vorsieht.
GFZ: SeisComP3 wurde vor allem von der GFZ-Ausgründung gempa entwickelt. Wie und warum ist diese Ausgründung entstanden und womit beschäftigt sie sich ansonsten?
W. Hanka: Als während des GITEWS-Projekts klar wurde, wie komplex die seismologische Komponente des Tsunamiwarnsystem wird und welchen Aufwand es bedeutet, diese in Zukunft zu warten und weiterzuentwickeln, kam die Idee auf, eine Firma auszugründen, die diese Aufgaben künftig für Indonesien und das GFZ sowie die übrigen Nutzer wahrnimmt. Diese Idee wurde dann 2008 durch die SeisComP3-Entwickler Bernd Weber und Jan Becker, die beide im GITEWS-Projekt am GFZ tätig waren, in Form der gempa GbR, später GmbH, realisiert. Neben der Softwarewartung und -weiterentwicklung von SeisComP3 und anderer selbst entwickelter tsunamiwarnrelevanter Software führt gempa weltweit Installationen und Trainingskurse durch. Neuerdings sind sie auch im Gebäudemonitoring in erdbebengefährdeten Gebieten aktiv.
GFZ: Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen GFZ-Wissenschaftlern und gempa in Bezug auf SeisComp3 aus?
W. Hanka: Neue Software-Module werden in Kooperation entwickelt, wobei der Beitrag des GFZ mehr auf der Methodenentwicklung und der von gempa mehr auf der Implementierung liegt. Gempa betreut für das GFZ auch die IT-Infrastruktur für die SeisComP3 Software-Pflege, übernimmt die Betreuung der User-Community und unterstützt das GFZ beim Betrieb des GEOFON**-Datenzentrums und -Erdbebendienstes.
GFZ: Wie sieht die Weiterentwicklung der Software aus, die nun von der CTBTO als "Extended NDC-in-the-box" eingesetzt wird?
W. Hanka: Das GFZ ist an dem eigentlichen CTBTO-Projekt nicht direkt beteiligt, wir kennen daher nicht alle Details. Grundsätzlich ist es wohl so, dass spezielle bereits innerhalb der CTBTO bzw. den NDSs in anderer Form vorhandene Software in SeisComP3 integriert oder mit dieser verknüpft wird.
GFZ: Herr Hanka, ich danke Ihnen für das Gespräch
Das Interview führte Ariane Kujau
*Das German-Indonesian Tsunami Early Warning System GITEWS ist ein Projekt der deutschen Bundesregierung, koordiniert vom GFZ, zur Errichtung eines Tsunami-Frühwarnsystems für die Region des Indischen Ozeans. Deutschland kooperierte dabei mit Indonesien, das aufgrund der Nähe zum seismisch aktiven Sundabogen zu dem durch Erdbeben am stärksten gefährdeten Gebiet im Indischen Ozean zählt.
** GEOFON trägt zur seismologischen Grundlagenforschung und zur Erdbeben- und Tsunami-Gefährdungsverminderung bei. Es ist Teil der Modular Earth Science Infrastructure (MESI) des GFZ und bietet verschiedene Services im Bereich Globale Netzwerke, Datenarchivierung und -verteilung sowie Datenkommunikation an. Es bietet eine seismologische Infrastruktur für die Erforschung des komplexen Systems Erde an und trägt damit zur Herausforderung bei, die Gefährdung durch Erdbeben und Tsunamis zu mindern.
Das Interview findet sich auch auf den Webseiten von CTBTO >>.