Die Vulkaninseln von Hawaii sind das jüngste Ende einer rund 80 Millionen Jahre alten und gut 6000 Kilometer langen Bergkette, die sich auf dem Grund des Pazifiks erstreckt. Diese „Hawaii-Emperor-Kette“, die aus Dutzenden Vulkanen besteht, macht auf halbem Wege einen bemerkenswerten Knick um rund 60 Grad. Über die Ursachen haben Geoforscherinnen und Geoforscher jahrzehntelang gestritten. Das eine Lager favorisierte eine abrupte Änderung der Bewegungsrichtung der Pazifischen Platte, das andere eine Bewegung des Hotspots unter der Erdkruste, der die Vulkane seit Jahrmillionen befeuert. Offenbar sind beide Vorgänge maßgeblich beteiligt. Das zeigt eine Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Oslo, des Deutschen GeoForschungsZentrums Potsdam GFZ und der Universität Utrecht, die jetzt im Fachmagazin Nature Communications erschienen ist.
Viele vulkanische Inseln haben ihren Ursprung in so genannten Mantelplumes. So werden schlauchförmige Strukturen im Innern der Erde bezeichnet, die heißes Gestein aus der Übergangszone zwischen Erdkern und Erdmantel in rund 3000 Kilometern Tiefe nach oben transportieren, wo es durch Vulkane bis an die Erdoberfläche gelangt. Mantelplumes werden kaum von den tektonischen Platten beeinflusst, die über sie hinweggleiten. So entstehen im Lauf der Zeit über den „heißen Schloten“ lange, gerade Ketten von Vulkanen, wobei das Alter der Vulkane umso höher ist, je weiter diese vom Mantelplume entfernt sind. Die Vulkankette, zu der auch Hawaii gehört, erstreckt sich inzwischen über rund 6000 Kilometer. Der älteste und längst erloschene Vulkan ist der Detroit Seamount, er befindet sich im Nordwestpazifik und entstand vor rund 80 Millionen Jahren.
Inmitten dieser „Hawaii-Emperor-Kette“ befindet sich ein außergewöhnlicher Knick, der den untermeerischen Gebirgszug in die ältere Emperor-Kette und die jüngere Hawaii-Kette teilt. Datierungen zufolge entstand der Knick vor 47 Millionen Jahren (Abb. 1). „Die Ursache dafür war ein gravierender Wechsel der Bewegungsrichtung der Pazifischen Platte“, sagt der Hauptautor der aktuellen Studie, Trond Torsvik von der Universität Oslo und derzeit Gastforscher am GFZ. Das Team bestätigt damit die Hypothese des US-Geophysikers Jason Morgan, der diese Vermutung bereits in den 1970er-Jahren formuliert hatte.
„Ganz so einfach, wie vor vierzig Jahren angenommen, ist die Sache aber nicht“, sagt Torsvik. Morgan war der erste, der Mantelplumes, mitunter auch als „Hotspots“ bezeichnet, als Referenzpunkte für die Plattenbewegung nutzte. In seinem Modell wurden die Hotspots als ortsfest angesehen, der Knick in der Hawaii-Emperor-Kette ging folglich auf eine simple Richtungsänderung der Platte zurück. Doch diese Überlegung wurde seit den 1980er-Jahren zunehmend kritisiert.
„Seit den späten 1990er-Jahren war klar, dass Hotspots keineswegs so unverrückbar waren, wie man anfangs angenommen hatte, sie bewegen sich ebenfalls“, sagt Bernhard Steinberger vom GFZ und Mitautor der aktuellen Studie. Dies sei inzwischen weitgehend anerkannt. Modelle für Strömungen im Erdmantel lassen erkennen, dass der Hotspot von Hawaii sich langsam nach Süden bewegt hat. „Einzelne Studien haben postuliert, dass der Knick in der Vulkankette nicht durch eine Neuausrichtung der Pazifischen Platte entstand, sondern durch eine vergleichsweise schnelle Bewegung des Hotspots nach Süden in der Zeit vor 47 Millionen Jahren“, fährt Steinberger fort. „Dieses Szenario hatte durchaus seinen Reiz, denn auf den angrenzenden tektonischen Platten fanden sich bisher keine Hinweise darauf, dass die Pazifische Platte damals plötzlich die Richtung geändert hat.“
In der vorliegenden Studie zeigt das Team, dass es sich so aber kaum zugetragen haben kann. Für dieses Szenario hätte sich der Hotspot mit unrealistisch hoher Geschwindigkeit von 42 Zentimetern pro Jahr bewegen müssen, das ist ein Vielfaches der üblichen Geschwindigkeit von Erdplatten. In der Folge hätte die Emperor-Kette in gerade fünf Millionen Jahren aufgebaut werden müssen, der Detroit Seamount wäre nur 52 Millionen Jahre alt. Dem steht zudem eine Datierung des Vulkans entgegen, die ein Alter von 80 Millionen Jahren ergab. „Theoretisch gäbe es auch die Möglichkeit, dass der Hotspot sich langsamer bewegte und in Richtung West-Südwest“, ergänzt Steinberger. Diese Richtung passe aber nicht zu Modellierungen der Strömungen im Erdmantel.
„Unsere Studie zeigt, wie sich mittels einfacher Simulationen aufklären lässt, welches Szenario geeignet ist, den Knick in der Hawaii-Emperor-Vulkankette zu erklären – und welches nicht“, sagt Pavel Doubrovine von der Universität Oslo, der ebenfalls beteiligt ist. „Wir kommen nicht um die Schlussfolgerung herum, dass das Umbiegen um 60 Grad hauptsächlich durch die Änderung der Bewegung der Pazifischen Platte hervorgerufen wurde.“ Allerdings müsse es zudem eine gewisse Bewegung des Hotspots gegeben haben, sonst wäre die Vulkankette rund 800 Kilometer kürzer als wir es in der Natur sehen (Abb. 2).
Um die Form und die Länge der Vulkankette im Westpazifik zu erklären, läuft es also auf eine Mischung aus beiden Prozessen hinaus: eine geänderte Plattenbewegung und ein beweglicher Hostpot, ergänzt Torsvik. „Wenn diese Einschätzung den alten Streit befriedet und in der Fachwelt anerkannt wird, können wir uns der nächsten spannenden Frage widmen: Was genau hat eigentlich dazu geführt, dass die Pazifische Platte vor 47 Millionen Jahren ihre Richtung geändert hat?“ Die Antwort werde hoffentlich nicht wieder 40 Jahre auf sich warten lassen, sagt Torsvik.
Originalstudie: Torsvik, T.H., Doubrovine, P.V., Steinberger, B, Gaina, C., Spakman, W., Domeier, M., 2017. Pacific plate motion change caused the Hawaiian-Emperor Bend. Nature Communications 8, 15660. DOI: 10.1038/ncomms15660
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