26.07.2012 | Potsdam: Das Erdmagnetfeld wird auf einer Zeitskala von zehn bis hundert Millionen von Jahren möglicherweise von Strömungen im Erdmantel beeinflusst. Auch die in der Erdgeschichte häufig geschehenen Umpolungen des Erdmagnetfeldes lassen sich mit Prozessen im Erdmantel verbinden. Dieses Forschungsergebnis präsentiert eine Gruppe von Geowissenschaftlern in der neuen Vorab-Ausgabe von „Nature Geoscience“ am Sonntag, dem 29. Juli. Es werden Ergebnisse vorgestellt, wie die raschen Prozesse im äußeren Erdkern, die mit Strömungsgeschwindigkeiten von bis zu etwa einem Millimeter pro Sekunde ablaufen, mit den Abläufen im Erdmantel gekoppelt sind, die sich eher im Geschwindigkeitsbereich von Zentimetern pro Jahr abspielen.
Die internationale Wissenschaftlergruppe unter Leitung von A. Biggin von der Universität Liverpool umfasste Mitglieder des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ, des IPGP Paris und der Universitäten von Oslo und Utrecht sowie weitere Partner.
Bekanntlich entsteht das Erdmagnetfeld durch Konvektionsströmungen von elektrisch leitfähigen Eisen-Nickelverbindungen im flüssigen Erdkern, rund 3000 Kilometer unter der Erdoberfläche. Das Erdmagnetfeld ist hochvariabel, Veränderungen des Erdmagnetfeldes gibt es auf einer Vielzahl von Raum- und Zeitskalen. Über dem flüssigen äußeren Erdkern befindet sich der Erdmantel, dessen Gestein aufgrund der großen Hitze und des hohen Drucks sich plastisch verformbar verhält. An der Grenze zwischen Erdkern und Erdmantel in 2900 Kilometern Tiefe findet ein intensiver Wärmeaustausch statt, der einerseits aus dem Erdkern in den Mantel gerichtet ist. Andererseits beeinflussen Prozesse im Erdmantel wiederum diesen Wärmefluss. Die interessante Frage ist, wie die viel langsameren Strömungen im festen Erdmantel den Wärmestrom und dessen räumliche Verteilung an der Kern-Mantel-Grenze bestimmen, und inwieweit dadurch das Erdmagnetfeld beeinflusst wird, das aufgrund viel schnellerer Strömungen im Erdkern entsteht.
Schlüsselgröße Wärmetransport
„Die Schlüsselgröße ist der Wärmefluss. Ein kühlerer Erdmantel beschleunigt den Wärmefluss aus dem heißen Erdkern, verändert dadurch aber die ebenfalls wärmegetriebenen Konvektionsströmungen im Erdkern“, erläutert Bernhard Steinberger vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ. „Aufgrund tektonischer Prozesse in den Mantel absinkende Ozeanböden können zur Abkühlung im Mantel führen. Sie erzeugen an diesen Stellen einen erhöhten Wärmestrom in die kühleren Stellen hinein, und zwar so lange, bis sie zur Umgebungstemperatur aufgeheizt wurden.“ Das kann allerdings schon mehrere Hundert Millionen Jahre dauern.
Umgekehrt führt der heiße Erdkern auch zum Aufsteigen von erhitztem Gestein in großen Blasen, so genannten Mantelplumes, die sich von der Kern-Mantel-Grenze ablösen und sich bis zur Erdoberfläche durchsetzen, Hawaii ist so entstanden. Das erhöht lokal den Wärmestrom aus dem Erdkern heraus und modifiziert so wiederum den Generator des Erdmagnetfeldes.
Umpolungen des Magnetfeldes
In der Erdgeschichte sind Umpolungen des Erdmagnetfeldes nichts Außergewöhnliches, die letzte fand erst vor nur 780 000 Jahren statt, ein – geologisch gesehen – recht kurzer Zeitraum. Die Forschergruppe konnte feststellen, dass im Zeitraum von 200 bis 80 Millionen Jahren vor heute es anfänglich noch häufiger zu Umpolungen kam, nämlich bis zu zehn mal pro hundert Millionen Jahren. „Überraschenderweise stoppten diese Umpolungen vor etwa 120 Millionen Jahren und blieben fast 40 Millionen Jahre aus“ erläutert GFZ-Wissenschaftler Steinberger. Als Grund vermuten die Wissenschaftler eine gleichzeitig stattfindende Umorientierung des gesamten Mantels und der Erdkruste mit einer Verlagerung der geographischen und magnetischen Pole von etwa 30°. Diese als "echte Polwanderungen" bezeichneten Prozesse haben ihre Ursache in einer veränderten Dichteverteilung im Erdmantel. Wenn sich dadurch der Wärmefluss in äquatorialen Gebieten erhöht, führt dies vermutlich zu häufigerer Feldumkehr, wenn er sich verringert, kann die Feldumkehr möglicherweise ausbleiben.
Blick in die Zukunft
Nach gegenwärtigem Wissenstand scheint demnach ein Einfluß der Plattentektonik und Mantelkonvektion auf das Erdmagnetfeld sehr wohl möglich. Der Beitrag zeigt aber auch auf, welche zukünftigen Forschungen noch notwendig sind, um diese Zusammenhänge besser zu verstehen. Insbesondere sollte versucht werden, aus paläomagnetischen Daten weitere Episoden von „echten Polwanderungen“ abzuleiten, und festzustellen, ob diese üblicherweise mit verändertem Verhalten des Magnetfeldes (z.B. Häufigkeit der Feldumkehr) assoziiert sind. Auch sollten künftige Modelle zur Erzeugung des Erdmagnetfeldes den Einfluß der räumlichen und zeitliche Variation des Wärmestroms an der Kern-Mantelgrenze genauer untersuchen.
A. J. Biggin et al., “Possible links between long-term geomagnetic variations and whole-mantle convection processes”, Nature Geoscience, Vol. 5, August 2012, doi:10.1038/NGEO1521