Das Geothermiefeld Svartsengi auf der Halbinsel Reykjanes im Südwesten Islands erlebte im Januar 2020 plötzliche Unruhephasen und Erschütterungen, die niemand erwartet hatte. Sofort machten sich Forschende daran, Instrumente zu installieren, um die Unruhen im Detail zu überwachen. Im Zentrum des geothermischen Hochtemperaturfeldes, wo sich wichtige Infrastrukturen befinden, darunter ein großes geothermisches Kraftwerk und das Thermalbad Blaue Lagune, wurde eine rasche Hebung von bis zu zwölf Zentimetern beobachtet, die von starker Seismizität begleitet wurde.
Mit seiner gemeinsamen Arbeit, veröffentlicht in Nature Geoscience, hat das internationale Team von Forschenden zum ersten Mal einen Vorläuferprozess identifiziert und dokumentiert, der zu einem Vulkanausbruch an einer aktiven ozeanischen Plattengrenze führte, bei dem keine Magmakammer in der Kruste beteiligt ist, sondern das Magma direkt aus dem Erdmantel stammt. Die Ergebnisse der Studie erklären auch die Wechselwirkung zwischen magmatischen Prozessen und geothermischen Hochtemperaturfeldern und unterstreichen die Rolle des Übergangs von zähplastischem zu sprödem Gestein beim Prozess der Krustenbildung an einer aktiven Plattengrenze. Die Arbeit ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts von Iceland GeoSurvey (ÍSOR) und dem Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ unter Beteiligung der Tschechischen Akademie der Wissenschaften.
Überwachung im Gelände im Vorfeld des Vulkanausbruchs
„Dank unserer langjährigen Forschungszusammenarbeit konnten ÍSOR und GFZ sofort reagieren“, sagt Ólafur Flóvenz, Hauptautor der Studie. „Unsere Forschung umfasste die Überwachung der Geländedeformation mit Hilfe von Satellitendaten, die Installation eines dichten Netzes von Seismometern und die Verwendung eines Telekommunikations-Lichtleiterkabels zur Überwachung der Seismizität sowie wiederholte Schwerkraftmessungen, um festzustellen, ob Magma oder andere Flüssigkeiten unter dem geothermischen Feld eingedrungen sind.“
Die integrierte Überwachung zeigte deutlich drei Episoden von Hebung und erhöhter Seismizität, denen jeweils ein relativ schnelles Absinken folgte. Vierzehn Monate nach Beginn der Unruhen kam es am Fagradalsfjall, acht Kilometer östlich des Hebungszentrums, zu einem Vulkanausbruch.
Ein Modell hilft bei der Interpretation der Daten
„Wir waren zunächst verwundert über die relativ schnelle Absenkung unmittelbar nach den Hebungszyklen, die schwer zu erklären ist, wenn Magma in flache Ebenen eingedrungen ist“, sagt Torsten Dahm, einer der Mitautor:innen der Studie. „Schließlich entwickelten wir ein poro-elastisches Modell, bei dem Fluide mit geringer Dichte wie Kohlendioxid in einen bereits bestehenden Grundwasserleiter in vier Kilometern Tiefe an der Wurzel des geothermischen Systems eindringen. Dies löste das Rätsel und konnte überraschenderweise auch die Hebung und das schnelle Absinken zusammen mit den spezifischen Mustern der Seismizität erklären.“
Das Gesamtvolumen der in den Grundwasserleiter eingedrungenen Fluide wird auf 0,11 ± 0,05 Kubikkilometer mit einer Dichte von 850 ± 350 Kilogramm pro Kubikmeter geschätzt. Aufgrund der geringen Dichte legt die Studie nahe, dass das Eindringen von magmatischem CO2 die geodätischen, gravimetrischen und seismischen Daten erklärt, obwohl ein gewisser Beitrag von Magma nicht ausgeschlossen werden kann.
Rekonstruktion der Vorgänge im Untergrund
Torsten Dahm erläutert, wie sich er und seine Kolleg:innen die Vorgänge im Untergrund erklären: „Unterhalb der festen Erdkruste liegt ein Magmareservoir, aus dem sich sozusagen einzelne Blasen von Flüssigkeit ablösen, nachdem die Auftriebskräfte groß genug wurden. Die leichte Flüssigkeit bahnt sich dann ihren Weg entlang von Spalten und Klüften im Übergang vom zähplastischen Mantel zur spröden Erdkruste. Diese Übergangszone ist unter dem Hochtemperaturfeld der Oberfläche am nächsten. Da das mehrfach vorkam, sprechen wir von zyklischer Injektion.“
Schließlich kombinierten die Forschenden alle geophysikalischen Beobachtungen und Modellierungsergebnisse mit Ergebnissen aus geochemischen Untersuchungen des eruptierten Magmas, um ein Modell vorzuschlagen, das alle verfügbaren Datensätze erklärt. Das Modell geht von einem magmatischen Reservoir in 15-20 Kilometern Tiefe unter der Eruptionsstelle des Fagradalsfjall aus. Es wird durch langsamen Magmazustrom aus dem tieferen Erdmantel gespeist. Das CO2 aus dem entgasenden Magma reichert sich an und wandert durch die untere Kruste langsam nach oben, wo es an einem undurchlässigen Übergang zwischen sprödem und plastischem (duktil) Gestein in sieben bis acht Kilometern Tiefe eingeschlossen wird. Von dort aus wird es entlang des spröd-duktilen Übergangs seitlich nach oben zu seinem flachsten Punkt umgeleitet – einerseits unter dem Svartsengi und andererseits unter dem geothermischen Hochtemperaturfeld Krýsuvík. Dort fand ein vierter Hebungszyklus statt, bevor die spröde Kruste über dem Magmareservoir schließlich brach und zum Ausbruch des Fagradalsfjall führte.
Weitere Eruptionen möglich
„Wir schätzen, dass das Mindestvolumen des entgasten Magmas unter der Eruptionsstelle mindestens in der Größenordnung von zwei bis neun Kubikkilometern liegt“, sagt Ólafur Flóvenz. „Nur ein kleiner Teil dieses Volumens wurde dann bei dem sechs Monate dauernden Ausbruch des Fagradalsfjall eruptiert. Das deutet auf eine große Magmaquelle hin, die für wiederholte Eruptionen in der Zukunft bereit ist.“
Originalstudie:
Ólafur Flóvenz et al. Cyclical geothermal unrest as a precursor to Iceland’s 2021 Fagradalsfjall eruption, Nature Geoscience, May 2nd 2022. DOI: 10.1038/s41561-022-00930-5
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