Was passiert unter der Oberfläche von Eisplaneten? Gibt es dort flüssiges Wasser – und wenn ja, was macht es mit dem planetaren "Meeresboden"? Neue Experimente zeigen, dass auf Wassereisplaneten von der Größe unserer Erde bis zum Sechsfachen dieser Größe das Wasser Magnesium aus typischen Gesteinsmineralien auslaugt. Die Bedingungen mit Drücken von hunderttausend Atmosphären und Temperaturen über tausend Grad Celsius wurden in einem Labor nachgebildet und ahmten Planeten nach, die ähnlich wie Neptun und Uranus sind, nur kleiner.
Die Mechanismen der Wechselwirkung zwischen Wasser und Gestein an der Erdoberfläche sind gut bekannt. Auch das Bild des komplexen Kreislaufs von H2O im tiefen Inneren unseres und anderer terrestrischer Planeten wird immer besser. Wir wissen jedoch nicht, was an der Grenzfläche zwischen heißem, dichtem Wasser und der tiefen Gesteinshülle von Wassereisplaneten bei Drücken und Temperaturen passiert, die um tausende Male höher sind als am Boden der tiefsten Ozeane auf der Erde. In unserem Sonnensystem sind Neptun und Uranus als Eisriesen klassifiziert; sie haben eine dicke äußere Wassereisschicht über einer tiefen Gesteinsschicht. Es ist nach wie vor offen, ob die Temperatur an der Grenzfläche hoch genug ist, um flüssiges Wasser zu bilden.
Ein internationales Team von Forschenden unter der Leitung von Taehyun Kim von der Yonsei-Universität in Seoul, Korea, zu dem auch Wissenschaftler*innen der University of Arizona, des DESY, des Argonne National Laboratory und Sergio Speziale vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ gehörten, führte sowohl an PETRA III (Hamburg) als auch an der Advanced Photon Source (Argonne, U. S.A.) eine Reihe von anspruchsvollen Experimenten durch, die zeigen, wie Wasser bei Drücken zwischen 20 und 40 Gigapascal (GPa) Magnesiumoxid (MgO) aus bestimmten Mineralen, nämlich Ferropericlase (Mg,Fe)O und Olivin (Mg,Fe)2SiO4, stark auslaugt. Dies entspricht dem 200.000- bis 400.000-fachen des Atmosphärendrucks auf der Erde und Versuchstemperaturen über 1500 K (zirka 1230 °C), Bedingungen, wie sie in den tiefen Ozeanen an der Grenze zum Gestein der Sub-Neptun-Eisplaneten vorherrschen. Sergio Speziale sagt: "Diese Erkenntnisse eröffnen neue Szenarien für die thermische Entwicklung großer eisiger Planeten wie Neptun und Uranus." Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht.
Winzige Kügelchen aus entweder Ferropericlase oder Olivinpulver wurden zusammen mit Wasser in eine winzige Probenkammer (weniger als ein Millimeter Durchmesser) geladen, die in eine Metallfolie gebohrt war, und mit Hilfe einer Diamant-Stempel-Zelle (DAC) zwischen zwei fehlerfreie Diamanten gepresst. Die Proben wurden durch einen Infrarot-Laser erhitzt. Die Synchrotron-Röntgenbeugung wurde verwendet, um die Umwandlung und den Zerfall von Mineralien zu bestimmen, die durch Reaktionen mit Wasser induziert wurden. Eine plötzliche Intensitätsabnahme des Beugungssignals der Ausgangsminerale und das Auftreten neuer fester Phasen, einschließlich Brucit (Magnesiumhydroxid), wurden über volle Heiz- und Abschreckungszyklen hinweg beobachtet. Sergio Speciale erklärt: "Dies zeigte den Beginn chemischer Reaktionen und die Auflösung der Magnesiumoxid-Komponente sowohl von Ferropericlase als auch von Olivin; die Auflösung war am stärksten in dem Druck-Temperatur-Bereich zwischen 20 bis 40 Gigapascal und 1250 bis 2000 Kelvin." Die Details des Reaktionsprozesses und die daraus resultierende chemische Entmischung von MgO aus den Restphasen wurden durch eine sorgfältige Rasterelektronenmikroskopie (REM) und Röntgenspektroskopieuntersuchungen der gewonnenen Proben bestätigt. "Bei diesen extremen Drücken und Temperaturen erreicht die Löslichkeit von Magnesiumoxid in Wasser ähnliche Werte wie die von Salz bei Umgebungsbedingungen", sagt Sergio Speciale.
Die intensive Auflösung von Magnesiumoxid an der Grenzfläche zwischen dem Wasser und dem darunter liegenden Gesteinsmantel könnte nach Ansicht der Forschenden bei wasserreichen Sub-Neptun-Exo-Planeten – zum Beispiel TRAPPIST-1f, der eine entsprechende Größe und Zusammensetzung hat – chemische Gradienten in den frühen heißen Phasen der Planetengeschichte erzeugen. Diese Gradienten, also eine unterschiedliche Verteilung von Magnesiumoxid am planetaren Meeresgrund, könnten teilweise über die lange Abkühlungsphase hinweg erhalten bleiben. Spuren von anfänglichen, relativ geringen Wechselwirkungen zwischen Wasser und Gesteinsmaterial während der planetaren Akkretion könnten auch bei Eisplaneten von der Größe des Uranus über Milliarden von Jahren erhalten bleiben.
Originalstudie:
Atomic-scale mixing between MgO and H2O in the deep interiors of water-rich planets; Taehyun Kim, Stella Chariton, Vitali Prakapenka, Anna Pakhomova, Hanns-Peter Liermann, Zhenxian Liu, Sergio Speziale, Sang-Heon Shim, and Yongjae Lee; „Nature Astronomy“, 2021. DOI: 10.1038/s41550-021-01368-2
Link: https://www.nature.com/articles/s41550-021-01368-2
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Chemie und Physik der Geomaterialien
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