Dr. Patricia Martinez-Garzon aus der Sektion 4.2 'Geomechanik und wissenschaftliches Bohren' gewinnt den Starting Grant des European Research Council, ein renommiertes Stipendium, das es exzellenten jüngeren Wissenschaftler:innen, die über 2 bis 7 Jahre Erfahrung nach ihrer Promotion verfügen, ermöglicht, ihre eigenen Projekte zu initiieren, Teams zusammenzustellen und ihre vielversprechendsten Ideen zu verfolgen.
Das Projekt QUAKE-HUNTER von Dr. Patricia Martinez-Garzon befasst sich mit der Frage, ob es bei Erdbeben einen vorgelagerten Nukleationsprozess gibt - eine alte Frage in den Geowissenschaften, die bis heute von großer Bedeutung ist. Das Projekt zielt darauf ab, die effektivsten Überwachungsansätze zu ermitteln, um verwerfungsbedingte transiente Signale zu erkennen, die manchmal mäßigen bis großen Erdbeben vorausgehen, sowie daraus auf die Verwerfungsbedingungen zu schließen, unter denen diese Erdbebenauslöseprozesse entstehen. "Diese Prozesse werden immer häufiger in Laborexperimenten beobachtet, aber sie in der Natur zu erfassen, bleibt eine Herausforderung", sagt Patricia.
QUAKE-HUNTER wird verschiedene Methoden erforschen, die auf einer Kombination von überwachtem und unüberwachtem maschinellem Lernen beruhen, um retrospektiv Erdbebenauslöseprozesse für aktive Verwerfungen in der Nähe erdbebengefährdeter städtischer Gebiete zu identifizieren. Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit dieser neuartigen Methodik in Echtzeit zu testen.
Das Projekt ist so konzipiert, dass es in hohem Maße auf andere Umgebungen übertragbar ist. Ein wichtiges Gebiet wird der Nordwesten der Türkei sein, wo die Nordanatolische Verwerfung überfällig für ein Erdbeben der Stärke M>7 ist. Das Gebiet grenzt direkt an die Megastadt Istanbul mit ihren über 15 Millionen Einwohnern an. "Als Wissenschaftler müssen wir uns darauf vorbereiten, und wir müssen jetzt damit beginnen", sagt Patricia. Die jüngsten drastischen Verbesserungen bei der Überwachung mit mehreren Instrumenten sowie die gesellschaftliche Relevanz stellen eine einzigartige Gelegenheit dar, die vorgeschlagene Forschung in Angriff zu nehmen.
In dieser Region wurden bereits vor dem letzten großen Erdbeben, dem Erdbeben der Stärke 7,4 in Izmit 1999, das fast 20.000 Todesopfer forderte, seismische Signaturen beobachtet. In jüngerer Zeit wurden seismische und transiente Signaturen auch vor kleineren Hauptbeben (4,5 < M < 5,8, Malin et al. 2018; Durand et al. 2020) beobachtet, und zwar dank spezieller Bohrlochseismometer und Dehnungsmessgeräte. Diese Spezialinstrumente sind Teil des GONAF Plate Boundary Observatory, das vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Zusammenarbeit mit der türkischen Katastrophenschutzbehörde (AFAD) und dem US-Institut UNAVCO betrieben wird.
Über den ERC-Grant
Der ERC wurde 2007 von der Europäischen Union gegründet und ist die wichtigste europäische Fördereinrichtung für exzellente Pionierforschung. Er fördert kreative Forscher aller Nationalitäten und jeden Alters, die Projekte in ganz Europa durchführen. Der ERC bietet vier zentrale Förderprogramme an: Starting Grants, Consolidator Grants, Advanced Grants und Synergy Grants. Mit seinem zusätzlichen Programm für Proof of Concept Grants hilft der Eurpean Research Council den Geförderten, die Lücke zwischen ihrer bahnbrechenden Forschung und den frühen Phasen ihrer Kommerzialisierung zu schließen. Der ERC wird von einem unabhängigen Leitungsgremium, dem wissenschaftlichen Rat, geleitet. Das Gesamtbudget des ERC für die Jahre 2021 bis 2027 beläuft sich auf mehr als 16 Mrd. EUR und ist Teil des Programms Horizon Europe.