26.09.2016: „Diese Ideen haben das Potenzial, unser Verständnis von Verwitterungsprozessen zu verändern“: Das ist die Begründung der Herausgeber der Zeitschrift Earth Surface Dynamics, den Artikel eines Wissenschaftlerteams um den Doktoranden Robert Emberson, GFZ-Sektion Geomorphologie, als „highlight paper“ zu küren.
Die Studie „Oxidation of sulphides and rapid weathering in recent landslides“ (zu Deutsch: „Sulfidoxidation und die rasche Verwitterung in rezenten Hangrutschungen“), erschienen am vergangenen Freitag, beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen Hangrutschungen und einer erhöhten chemischen Verwitterung. Bisherige Arbeiten betrachten die Verwitterung in Gebirgsketten meist im großen räumlichen Maßstab und beschreiben sie in Modellen als einen stabilen Prozess. Sie nehmen dabei keine Rücksicht auf lokale Unterschiede in physikalischen und chemischen Verwitterungsprozessen und deren verschiedene Geschwindigkeiten.
In ihrer neuen Studie und in einer vorausgehenden, bereits vor einigen Monaten veröffentlichten Arbeit, zeigen die Wissenschaftler, dass Hangrutschungen ein bedeutender lokaler Faktor der Verwitterung sind. Sie bezeichnen sie gar als „Verwitterungsreaktoren“ mit einem enormen Effekt auf das große Ganze der Verwitterung einer Gebirgsregion. Für ihre nun ausgezeichnete Arbeit reisten die Wissenschaftler nach Taiwan ins Feld, wo sie eng mit dortigen KollegInnen zusammenarbeiteten. Die vorausgehende Studie basiert auf Feldarbeiten in Neuseeland.
Hangrutschungen als Quelle oder Senke für CO2?
Hangrutschungen legen eine große Menge Gestein frei und machen es für die physikalische und chemische Verwitterung zugänglich. Die Verwitterung des Silikatanteils im Gestein, wie Feldspate und Tonminerale, entzieht der Atmosphäre CO2, weshalb diese Form der chemischen Verwitterung in Langzeitstudien zum Klimawandel schon länger als wichtiger Faktor gilt. Die neue Studie zeigt: Hangrutschungen befördern neben der Silikatverwitterung auch die Sulfidverwitterung. Wenn die dabei entstehende Schwefelsäure den im Gestein freigelegten Carbonatanteil zersetzt, bringt diese Form der chemischen Verwitterung CO2 in die Atmosphäre ein, führt also zu einem genau gegenläufigen Effekt.
Die Wissenschaftler arbeiten nun daran, diese Prozesse zu quantifizieren. Wenn das gelingt kann bestimmt werden, ob beide Formen der chemischen Verwitterung insgesamt gesehen eher CO2 in die Atmosphäre eintragen, ob Hangrutschungungen also eine Netto-Quelle für das Treibhausgas CO2 sind, oder der Atmosphäre CO2 entziehen und damit eine Treibhausgas-Senke sind. Ob Hangrutschungen demnach ein bisher unterschätzter Klimafaktor sind, muss sich im Verlauf der weiteren Forschung zeigen. (ak)
Highlight paper: Emberson, R., Hovius, N., Galy, A., Marc, O., 2016. Oxidation of sulphides and rapid weathering in recent landslides. Earth Surface Dynamics, doi:10.5194/esurf-2016-31
Vorausgehende Arbeit zum Thema: Emberson, R., Hovius, N., Galy, A., Marc, O., 2016. Chemical weathering in active mountain belts controlled by stochastic bedrock landsliding. Nature Geosciences 9, 42-45. doi:10.1038/ngeo2600