Carsten Falck ist Leiter der GFZ-Satellitenempfangsstation Ny-Ålesund auf Spitzbergen. Die Station empfängt unter anderem Daten der GRACE Follow-On-Satelliten, die am 22. Mai dieses Jahres erfolgreich ins All gestartet sind. Die an der Station empfangenen Daten werden automatisiert an das GFZ in Potsdam übertragen, wo sie weiterverarbeitet und für verschiedene Anwendungen bereitgestellt werden.
GFZ: Warum hat sich das GFZ entschlossen, auf Spitzbergen eine Satellitenempfangsstation zu installieren?
Carsten Falck: Der Standort Ny-Ålesund auf Spitzbergen liegt nur etwa 1 200 Kilometer vom Nordpol entfernt. Das ist für Satelliten mit polaren Umlaufbahnen perfekt, weil wir deren Signale dort bei jeder Erdumrundung empfangen können.
Ny-Ålesund ist trotz der relativ exotischen Lage gut mit regelmäßig verkehrenden Flugzeugen und Schiffen erreichbar und mit der ganzjährig besetzten deutsch-französischen AWIPEV Forschungsstation (Anm. d. Red.: eine gemeinsame Forschungsstation des Alfred-Wegener Instituts und des Polar Institute Paul Emile Victor) und der norwegischen Kingsbay-Company gab es von Anfang an zuverlässige Partner vor Ort, die uns beim Betrieb unterstützen.
GFZ: Seit wann wird die Station betrieben?
Falck: Die erste Antenne der Station wurde 2001 in Betrieb genommen, die zweite 2005.
GFZ: Sie arbeiten am GFZ in Potsdam. Wie oft sind Sie in Ny-Ålesund?
Falck: Die Station wird weitgehend automatisiert und ganzjährig unbesetzt betrieben, abgesehen von einmal jährlich stattfindenden Besuchen zur technischen Wartung der Station, die ich mit einem Kollegen durchführe.
Neben mir sind mehrere Kolleginnen und Kollegen am GFZ ständig in den Betrieb eingebunden. Die Planung der Satellitenkontakte, die Verarbeitung und Verteilung der Satellitendaten und die Überwachung der Station werden durch die Sektion Globales Geomonitoring und Schwerefeld in Potsdam und in der GFZ-Außenstelle in Oberpfaffenhofen geleistet.
GFZ: Welche Satelliten werden an der Station empfangen?
Falck: Am wichtigsten sind die GRACE-FO Satelliten, die gewissermaßen immer „Vorfahrt“ haben. Sobald sie die Station überfliegen, werden sie auch empfangen, egal welcher andere Satellit sich gerade in Reichweite befindet. Dazu kommen häufige Kontakte zu den Satelliten TerraSAR-X und TanDEM-X, die beide spezielle, vom GFZ bereitgestellte GPS-Empfänger an Bord haben, mit denen beispielsweise der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre zur Verbesserung von Wettervorhersagen bestimmt wird.
Wir wollen aber nicht nur große Missionen, sondern auch kleinere Projekte unterstützen. So empfangen wir aktuell mehrfach täglich den Satelliten Flying Laptop, der von Studierenden der Universität Stuttgart gebaut wurde und unterstützen damit die zukünftige Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
GFZ: Welche Daten empfangen Sie neben dem Wasserdampfgehalt noch?
Falck: Wir empfangen hauptsächlich Daten zum Schwerefeld und zur Atmosphäre der Erde. Wichtig sind aber auch die nicht-wissenschaftlichen Betriebsdaten der Satelliten, beispielsweise zum Zustand der Batterien und einzelner Instrumente, die wir immer parallel zu den wissenschaftlichen Daten empfangen. So können die Satelliten optimal eingestellt und kritische Veränderungen frühzeitig erkannt werden, wovon schon die früheren Missionen CHAMP und GRACE profitiert haben.
GFZ: Wie schnell können Sie die empfangenen Daten zur Verfügung stellen?
Falck: Der größte Treiber für die schnelle Bereitstellung ist die Nutzung für Wettervorhersagen. Die entsprechenden Datenprodukte werden am GFZ in der Sektion Geodätische Weltraumverfahren erzeugt und müssen bei den Wetterzentren spätestens drei Stunden nach einer Messung vorliegen. Bei einer Satellitenumlaufzeit von etwa 95 Minuten muss also möglichst jeder Umlauf für den Datenempfang genutzt werden, damit ausreichend aktuelle Daten geliefert werden können.
Es geht aber nicht nur um Schnelligkeit. Der Empfang großer Datenmengen, wie sie zum Beispiel bei der GRACE-FO Mission anfallen, benötigt entweder entsprechend lange Übertragungszeiten pro Kontakt oder viele Kontakte täglich, um die großen Datenmengen auch abrufen zu können. Das ermöglicht die polnahe Lage unserer Station, wo wir die Satelliten eben theoretisch bei jeder Erdumrundung „erwischen“ können.
GFZ: Welche weiteren Anwendungen gibt es für die Daten?
Falck: Die wichtigsten Anwendungen der in Ny-Ålesund empfangenen Daten liegen aktuell wohl bei den in der Sektion Globales Geomonitoring und Schwerefeld erzeugten Produkten zum Schwerefeld der Erde mit monatlicher Auflösung, die unter anderem wichtige Erkenntnisse zum Wasserkreislauf der Erde liefern und regelmäßig von vielen tausend Nutzerinnen und Nutzern abgerufen werden.
GFZ: Die Station ist die primäre Empfangsstation für die GRACE-FO-Mission. Welche Aufgaben sind damit verbunden?
Falck: Alle Satelliten vor GRACE-FO wurden in Ny-Ålesund so gut wie möglich, aber ohne unmittelbare Verpflichtungen für das GFZ empfangen. Bei GRACE-FO verantwortet das GFZ das Bodensegment der Mission und muss alle Daten der beiden Satelliten vollständig empfangen und den Projektpartnern wie dem JPL (Anm. d. Red.: Jet Propulsion Laboratory der NASA) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt direkt nach dem Empfang zur Verfügung stellen.
Damit steht die Empfangsstation zum ersten Mal wirklich in der Pflicht. Dafür musste sie eine jahrelange, aufwändige Vorbereitung absolvieren. So wurde zum Beispiel ein Empfänger der Station in Ny-Ålesund abgebaut und während der Bauphase der Satelliten zum Hersteller Airbus nach Friedrichshafen gebracht, um dort das Zusammenspiel zwischen Empfänger und Satelliten zu testen.
Der Aufwand hat sich aber gelohnt. Die Station konnte schon vor dem Start kritische Expertinnen und Experten der NASA überzeugen. Als es dann losging haben wir bereits 80 Minuten nach dem Start, also schon beim ersten Überflug der beiden GRACE-FO-Satelliten, deren Signale empfangen. Nun erfüllt die Station zuverlässig ihre Aufgaben im Routinebetrieb mit etwa 15 GRACE-FO Kontakten pro Tag.
Interview: Jacob Schmidt (Praktikant Medien und Kommunikation), Ariane Kujau
Sektion Globales Geomonitoring und Schwerefeld
Sektion Geodätische Weltraumverfahren
Die Station ist Teil der Modular Earth Science Infrastruktur (MESI)